Lost Place Jagd im Saarland
Früher Morgen und leere Straßen
Es gibt Tage, an denen man schon beim Aufwachen spürt, dass etwas Besonderes bevorsteht. Heute war so ein Tag. Noch bevor der erste Lichtstrahl durch das Fenster kroch, stand ich auf, schälte mich aus der warmen Decke und schlüpfte in die dickste Jacke, die ich finden konnte. Draußen war es klirrend kalt, die Luft roch nach Winter und ein Hauch von Advent lag in der Atmosphäre. Während ich meine Ausrüstung zusammensuchte, spürte ich dieses bekannte Kribbeln, das mich immer packt, wenn ich einen Lost Place erkunden will.
Die Fahrt Richtung Saarbrücken verlief fast gespenstisch ruhig. Die Straßen waren wie leergefegt, kein Auto weit und breit. Es fühlte sich an, als hätte ich die Welt für mich allein. Wahrscheinlich hockten die meisten Leute noch in ihren warmen Betten, vielleicht schon mit dem ersten Adventskaffee in der Hand. Für mich aber war das genau der richtige Moment, um aufzubrechen und das Unbekannte zu suchen.
Das ehemalige Wirtshaus an der unsichtbaren Grenze
Mein erster Halt: ein altes Wirtshaus, das früher sogar mal eine Mühle war. Schon beim Aussteigen aus dem Auto spürte ich diese Mischung aus Neugier und Respekt, die mich immer befällt, wenn ich vor einem verlassenen Gebäude stehe. Die Fassade war verwittert, die Fenster teilweise blind vor Staub, und irgendwo im Innern knackte es leise, als würde das Haus selbst noch schlafen.
Was diesen Ort besonders machte, war nicht nur seine Vergangenheit als Mühle, sondern vor allem die kuriose Geschichte der unsichtbaren Grenze, die einmal mitten durch den Tanzsaal verlief. Preußen auf der einen, Bayern auf der anderen Seite. Ich musste grinsen, als ich mir vorstellte, wie früher die Gäste beim Tanzen einfach von einem Königreich ins andere wechselten, ohne es zu merken. Heute ist davon nichts mehr zu sehen, aber das Wissen um diese absurde Bürokratie, Steuern an das preußische Finanzamt, Post aus dem Nachbarort, verleiht dem Ort eine seltsame Aura.
Spuren der Vergangenheit
Drinnen war es kalt und still. Die Gaststube wirkte, als wäre sie vor Jahren einfach verlassen worden. Auf den Tischen lagen noch alte Zeitungen und Illustrierte, vergilbt und von der Zeit gezeichnet. Ich wanderte durch die Räume, mein Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft. In den oberen Zimmern knarrte der Boden unter meinen Schritten, und ich hatte das Gefühl, als würde ich auf leisen Sohlen durch eine andere Zeit schleichen.
Die Motive, die sich mir boten, waren faszinierend. Ein altes Bild an der Wand, halb von Spinnweben verhüllt. Ein Stapel Geschirr, das wohl nie mehr benutzt wird. Und immer wieder dieses Gefühl, dass die Geschichten, die hier einmal gespielt wurden, noch in der Luft hängen. Ein bisschen unheimlich war es schon, vor allem, weil ich wusste, dass ich hier ganz allein war. Aber genau das macht den Reiz solcher Orte aus.
Ein gelungener Start in den Tag
Als ich das Wirtshaus wieder verließ, war ich nicht nur um einige Fotos, sondern auch um eine Erfahrung reicher. Der Tag hatte gerade erst begonnen, und schon hatte ich das Gefühl, ein kleines Stück Geschichte aufgespürt zu haben. Die Kälte war mir egal, das Kribbeln im Bauch blieb. Ich war bereit für das nächste Abenteuer.




















Abfahrt an der alten Mühle
Der Tag begann noch ruhig, als ich die knarrenden Holzbalken der alten Mühle hinter mir ließ. Die Sonne kämpfte sich gerade durch einen Schleier aus Nebel, der sich über die Felder legte. Mit jedem Meter Richtung St. Ingbert spürte ich, wie die vertraute Welt langsam in den Hintergrund rückte. Mein Ziel war das ehemalige Schwimmbad, ein Relikt vergangener Tage, das im Netz für allerlei Gerüchte sorgte. Mal hieß es, der Zutritt sei unmöglich, dann wieder, man müsse nur wissen, wo man suchen muss. Ich war gespannt, was mich dort erwarten würde.
Der erste Blick auf das Schwimmbad
Schon von Weitem war das Gebäude zu erkennen. Es wirkte wie ein gestrandetes Schiff, das von der Zeit vergessen wurde. Die Fenster waren gesprungen, einige Türen standen offen, als hätten sie längst jede Hoffnung auf Privatsphäre aufgegeben. Das Gelände drumherum war verwildert, das Gras wuchs kniehoch und alte Schilder warnten noch immer vor dem Betreten. Ich musste schmunzeln, denn die Dorfjugend hatte hier wohl längst das Kommando übernommen.
Der Weg ins Innere
Entgegen aller Warnungen und widersprüchlichen Berichte im Netz war der Zugang erstaunlich einfach. An einer Seite hatte jemand ein Stück Zaun entfernt, als Einladung für Neugierige wie mich. Ich schob mich durch die Lücke und stand plötzlich mitten im Schatten der Vergangenheit. Im Inneren war es kühl und roch nach feuchtem Beton. Meine Schritte hallten durch die leeren Gänge, begleitet von dem leisen Tropfen irgendwo aus der Dunkelheit. Es war, als würde das Gebäude selbst atmen.
Verlorene Erinnerungen
Viel war nicht mehr übrig von dem einstigen Schwimmbad. Wo früher das Wasser plätscherte und Kinder lachten, lagen jetzt Scherben und Graffiti bedeckten die Wände. Die Fliesen waren an vielen Stellen herausgebrochen, und in den Umkleiden roch es nach Moder. Trotzdem konnte ich mir vorstellen, wie hier früher das Leben tobte. Jetzt war es still, nur ab und zu knackte irgendwo ein Balken, als wollte das Gebäude mir seine Geschichte zuflüstern.
Spuren der Dorfjugend
An den Wänden prangten bunte Schriftzüge, manche witzig, andere eher bedrohlich. Es war offensichtlich, dass die Dorfjugend und einige Randalierer sich hier ausgetobt hatten. Überall lagen leere Flaschen, und in einer Ecke hatte jemand sogar einen alten Einkaufswagen deponiert. Ich musste schmunzeln, als ich mir vorstellte, wie sie hier nachts durch die Halle gejagt sind. Trotzdem lag eine gewisse Melancholie in der Luft, als hätte das Schwimmbad sich längst mit seinem Schicksal abgefunden.
Abschied aus der Vergangenheit
Als ich das Schwimmbad wieder verließ, fiel das Licht der Dämmerung durch die zerbrochenen Fenster. Die Schatten wurden länger, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, nicht allein zu sein. Vielleicht waren es nur die Erinnerungen an vergangene Tage, die hier noch umhergeistern. Ich schob mich wieder durch den Zaun, atmete tief durch und ließ das alte Schwimmbad hinter mir. Ein Ort, der zwar viel verloren hat, aber immer noch eine ganz eigene Geschichte erzählt.














Ankunft an der Villa
Schon als ich das alte Villengelände betrete, spüre ich diese Mischung aus Neugier und leichtem Unbehagen. Die Villa liegt am Rand eines frisch sanierten Wohngebiets, das in starkem Kontrast zu ihrem traurigen Zustand steht. Die Arbeiterwohnsiedlung daneben wirkt wie aus dem Ei gepellt, frisch gestrichen und voller Leben. Doch hier, am Rand, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Villa wirkt wie ein vergessenes Relikt, das stumm von besseren Tagen erzählt.
Der erste Eindruck
Die Fassade ist verwittert, der Putz bröckelt und die Fenster sind teilweise blind vor Staub. Ich frage mich, wie es wohl gewesen sein muss, als das Anwesen noch bewohnt war. Schon von außen lässt sich erahnen, dass hier einmal jemand mit Geschmack und Geld gelebt hat. Trotz des Verfalls strahlt das Gebäude eine gewisse Würde aus, als wolle es sich nicht kampflos dem Verfall hingeben.
Spuren des einstigen Luxus
Drinnen wird es richtig spannend. Die Sonne wirft schräges Licht durch die zerborstenen Fenster und lässt Staubflocken in der Luft tanzen. Ich schlendere durch die Räume und bleibe immer wieder an den Wänden stehen. Verschiedenste Fliesenmuster, kunstvoll und aufwendig, ziehen sich durch das Haus. Hier und da glänzen noch Reste von Wandverkleidungen, die von vergangenen Festen und rauschenden Nächten erzählen. Es ist, als würde ich durch ein Museum wandeln, nur dass die Exponate langsam vom Zahn der Zeit aufgefressen werden.
Das Gefühl der Vergänglichkeit
Je länger ich durch die Villa gehe, desto mehr spüre ich die Melancholie dieses Ortes. Es ist schade um das Anwesen, das einmal so prächtig gewesen sein muss. Die Geräusche von draußen dringen nur gedämpft herein, als ob die Villa in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen wäre. Ich stelle mir vor, wie hier früher das Leben pulsierte, während jetzt nur noch Stille und ein Hauch von Geschichte geblieben sind. Irgendwie hat dieser Ort etwas Magisches, aber auch etwas Trauriges. Ich kann mich kaum losreißen und frage mich, wie viele Geschichten wohl noch in diesen Wänden schlummern.












Aufbruch von der Fabrikantenvilla
Mein Weg führte mich von der ehrwürdigen, leicht verfallenen Fabrikantenvilla hinunter in Richtung Alt-Saarbrücken. Ich wusste, dass mein nächstes Ziel der alte Friedhof sein würde, ein Ort, der schon seit Jahrzehnten mehr Schatten als Leben beherbergt.
Der erste Blick auf den alten Friedhof
Schon von Weitem wirkte der Friedhof wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Umrisse der alten Mauern zogen sich entlang der Komturstraße und des Deutschherrnpfads, während die Bäume auf dem Hang ihre knorrigen Äste wie mahnende Finger in den Himmel reckten. Ich betrat das Gelände durch einen unscheinbaren Eingang, der von wildem Efeu umrankt war. Die Geräusche der Stadt verblassten sofort. Hier war es still, nur das Rascheln der Blätter und das entfernte Zwitschern einiger Vögel begleiteten mich.
Geschichte, die unter der Erde schlummert
Mit jedem Schritt auf den verschlungenen Wegen spürte ich, wie die Geschichte dieses Ortes schwer auf meinen Schultern lag. 1851 eröffnet, hatte der Friedhof Generationen von Saarbrückern ihre letzte Ruhe geschenkt. Zwischen 1907 und 1909 wuchs er, doch schon wenige Jahre später war er zu klein für die wachsende Stadt. 1917 wurde er geschlossen, und seitdem hat sich die Natur langsam zurückgeholt, was einst von Menschenhand geordnet war.
Die letzten Zeugen der Vergangenheit
Die meisten Gräber sind heute verschwunden, aber die wenigen, die geblieben sind, erzählen stumm von vergangenen Zeiten. Manche Grabsteine sind kunstvoll verziert, andere schlicht und von Moos überwuchert. Ich blieb vor einem besonders alten Stein stehen, dessen Inschrift kaum noch zu lesen war. Ein leiser Schauer lief mir über den Rücken, als ich mir vorstellte, wie hier einst Trauerzüge vorbeizogen, begleitet von Tränen und leisen Gebeten. Jetzt war ich allein mit den Erinnerungen, die zwischen den alten Bäumen und den verwitterten Steinen lauerten.
Vom Friedhof zum Park
In den 1990er Jahren hatte die Stadt das Gelände umgewidmet. Aus dem einstigen Friedhof war ein Park geworden, ein Ort für Spaziergänger und Ruhesuchende. Doch die Vergangenheit war nie ganz verschwunden. Zwischen den gepflegten Wegen und den neuen Bänken blieben die alten Gräber wie Mahnmale stehen. Ich begegnete einer älteren Dame, die mir erzählte, dass hier 2002 tatsächlich noch jemand beigesetzt wurde. Für einen Moment wurde mir bewusst, wie dünn die Schicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart an solchen Orten ist.
Weiter zur verlassenen Radrennbahn
Als ich den Friedhof verließ und mich auf den Weg zur alten Radrennbahn machte, drehte ich mich noch einmal um. Die Schatten unter den Bäumen wirkten plötzlich tiefer, und ich fragte mich, wie viele Geschichten dieser Ort wohl für immer für sich behalten würde. Mit einem letzten Blick auf die verwitterten Steine und die verwunschenen Pfade setzte ich meinen Weg fort, gespannt, welches Geheimnis mich als nächstes erwarten würde.














Aufbruch ins Unbekannte
Mit noch leicht klammen Fingern vom Friedhof fuhr ich nun weiter den Schanzenberg hinauf. Die Luft war feucht, und irgendwo in der Ferne hörte ich einen Hund bellen. Mein Blick wanderte zurück zu den Schatten zwischen den Grabsteinen, als ob dort noch etwas auf mich wartete. Doch das nächste Ziel lag vor mir: die alte Radrennbahn, ein Ort, der einst voller Leben war und heute nur noch von Geschichten und dem Wind bewohnt wird.
Das erste Auftauchen der Radrennbahn
Schon von Weitem konnte ich die Umrisse des Ovals erkennen. Der Beton wirkte wie eine Narbe im Grün, von Rissen durchzogen, als hätte die Zeit selbst mit spitzen Fingern daran gezerrt. Unkraut hatte sich seinen Weg durch jede Fuge gebahnt und wie ein zäher Teppich die Bahn überzogen. Ich trat durch ein rostiges Tor, das schief in den Angeln hing, und spürte sofort, wie sich die Atmosphäre veränderte. Es war, als würde der Ort die Luft anhalten, als würde er darauf warten, dass jemand seine Stille stört.
Erinnerungen an vergangene Rennen
Wenn ich die Augen schloss, konnte ich fast das Surren der Reifen hören, das Rufen der Zuschauer, das angespannte Atmen der Fahrer. Hier, auf diesem Beton, hatte Andreas Walzer einst seine Runden gedreht, später Olympiasieger geworden. Die Bahn war 1934 erbaut und 1935 eröffnet worden, damals ein Stolz für die Region. Über sechzig Jahre lang war sie das Zentrum des Radsports im Saarland gewesen. Heute aber war davon nur noch ein Hauch übrig, ein Echo, das in den leeren Rängen widerhallte.
Vom Reiterbund zur Ruine
Im Inneren des Ovals hatte sich ab 1962 der Reiterbund Saarbrücken niedergelassen. Pferde galoppierten, wo früher Räder surrten. Doch auch diese Zeit war vorbei. Insolvenz, Liquidation, und plötzlich war alles still. Die Gebäude am Rand der Bahn wirkten wie verlassene Kulissen eines vergessenen Theaterstücks. Fenster waren blind vor Staub, Türen standen offen, als würde gleich jemand zurückkehren, der längst nicht mehr kommen wird.
Die Frage nach dem Verfall
Ich setzte mich auf eine der alten Tribünenbänke, die unter mir knarzten. Warum lässt die Stadt diesen Ort so verkommen? Es ist, als hätte man die Erinnerungen einfach sich selbst überlassen. Das Unkraut schießt jetzt schneller als jeder Radfahrer, überwuchert alles, was einmal Bedeutung hatte. Und doch, zwischen all dem Verfall, spürte ich ein seltsames Knistern. Vielleicht, weil hier so viele Träume und Niederlagen in den Beton gesickert sind. Vielleicht, weil der Ort noch immer nicht ganz aufgegeben hat.
Ein Blick zurück und nach vorn
Als ich mich wieder auf den Weg machte, spürte ich, wie die Radrennbahn mich noch eine Weile begleiten würde. Die Geschichten, die sie nicht mehr erzählen kann, hingen wie feiner Nebel in der Luft. Ich fragte mich, ob irgendwann wieder Leben in das Oval zurückkehren würde. Oder ob es für immer ein Ort bleibt, an dem nur noch das Unkraut seine Rennen läuft.















Der Abschied von der Radrennbahn
Als ich mich von der alten Radrennbahn entfernte, hatte ich das Gefühl, als würde ich einen Schatten hinter mir herziehen. Die Stille des Ortes war nicht einfach nur Abwesenheit von Geräuschen, sondern fast greifbar. Es war, als ob die Vergangenheit noch einmal leise den Atem anhielt, bevor sie sich endgültig zurückzog. Die Tribünen, das verwitterte Holz, das Gras, das sich seinen Weg durch den Asphalt bahnte, all das wirkte wie ein Echo von etwas, das einmal voller Leben gewesen war. Ich musste kurz innehalten und mich umdrehen. Für einen Moment glaubte ich, das leise Surren von Reifen auf der Bahn zu hören, Stimmen, die anfeuern, das Klacken von Schuhplatten. Doch da war nur Wind, der durch die leeren Ränge strich. Die Geschichten, die dieser Ort nicht mehr erzählen kann, hingen wie feiner Nebel in der Luft. Ich fragte mich, ob irgendwann wieder Leben ins Oval zurückkehren würde oder ob es für immer ein Ort bleibt, an dem nur noch das Unkraut seine Rennen läuft.
Auf dem Gelände der Saar-Hochdruck
Der Weg führte mich weiter, vorbei an den letzten Ausläufern der Bahn, hinüber zum Gelände der ehemaligen Saar Hochdruck Rohrleitungs- und Tiefbau GmbH. Hier war die Atmosphäre noch einmal anders. Die Gebäude wirkten wie eingefroren, als hätte jemand mitten im Arbeitstag die Zeit angehalten. Ich stellte mir vor, wie es hier einmal zugegangen sein musste: Rund 160 Menschen, die tagtäglich ein- und ausgingen, Maschinenlärm, Stimmengewirr, das Klirren von Metall. Jetzt war alles still. Die Fenster waren staubig, einige eingeschlagen, und überall wucherte das Grün. Es war, als hätte sich die Natur das Gelände langsam zurückgeholt, aber die Spuren der Menschen waren noch deutlich sichtbar.
Ich erinnerte mich an die Geschichte der Firma. 2008 war hier Schluss, nachdem die Aufträge ausblieben und das Unternehmen Insolvenz anmelden musste. Ein Spezialbetrieb, der vor allem für Energieversorger arbeitete, plötzlich ausgebremst von der Wirtschaftslage. Das Gelände erzählte von Aufbruch und Scheitern, von Hoffnung und plötzlichem Stillstand. Während ich zwischen den alten Hallen stand, fragte ich mich, wie es sich wohl anfühlen musste, hier seinen letzten Arbeitstag zu haben. Die Pläne für eine neue Bebauung schienen fast wie ein ferner Traum, der irgendwo zwischen den Mauern spukte.
Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Ich blieb noch einen Moment stehen, lauschte der Stille und spürte, wie die Vergangenheit und die Zukunft hier fast greifbar aufeinandertrafen. Die alten Mauern hielten Erinnerungen fest, aber irgendwo in der Luft lag auch eine Ahnung von Veränderung. Vielleicht würde hier irgendwann wieder gebaut, gelacht und gearbeitet werden. Bis dahin aber war das Gelände ein Ort, an dem die Zeit seltsam stillstand und an dem die Geschichten der Menschen, die hier einmal waren, leise weiterflüsterten.















Der Weg zum Zollbahnhof
Das nächste Ziel hatte ich schon wieder klar vor Augen: der alte Zollbahnhof zwischen Homburg und Kirkel. Schon auf dem Weg dorthin spürte ich eine eigenartige Mischung aus Neugier und Respekt. Die Geschichte dieses Ortes schien in der Luft zu liegen, als würde sie mich mit jedem Schritt tiefer in ihre Vergangenheit ziehen.
Die Ursprünge: Von der VIA REGIA zum Schwarzen See
Kaum angekommen, stellte ich mir vor, wie dieser Ort einst aussah, bevor hier Schienen verlegt wurden. Ursprünglich lag hier der Schwarze See, ein Gewässer, das schon 1434 in alten Dokumenten auftauchte. Damals hätte ich wohl knöcheltief im Wasser gestanden, umgeben von dichtem Schilf und dem Quaken der Frösche. Doch dann kam Napoleon, der Visionär mit Hang zur Geradlinigkeit. Er ließ den Weiher trockenlegen, um seine Kaiserstraße von Metz nach Mainz schnurgerade durch das Gebiet zu führen. Die Vorstellung, wie hier einst Wasser plätscherte und dann plötzlich von der Zivilisation verschluckt wurde, sorgt für ein seltsames Ziehen in der Magengrube.
Der Zollbahnhof: Grenze, Kontrolle und Wandel
Mit dem Versailler Vertrag und der Abtrennung des Saargebiets veränderte sich alles. Plötzlich war dies ein Ort der Kontrolle, der Grenzziehung, der Bürokratie. Ich stelle mir vor, wie hier einst Züge zum Stehen kamen, wie Menschen und Waren kontrolliert wurden, wie die Atmosphäre von Anspannung und vielleicht auch ein wenig Hoffnung durchzogen war. Die alten Gleise, heute längst verschwunden, waren damals Lebensadern und Barrieren zugleich. Nach 1935 wurde aus dem Zollbahnhof ein Westbahnhof, Drehkreuz für Truppen, Munition, Kohle und Stahl. Die Vorstellung, wie hier in den Kriegsjahren hektisches Treiben herrschte, während Bomben am Himmel drohten, lässt mich frösteln, obwohl die Sonne noch am Himmel steht.
Zerstörung und Neuanfang
Die Bombardements des Zweiten Weltkriegs haben den Bahnhof fast vollständig ausgelöscht. Was einst pulsierender Knotenpunkt war, wurde zu einer Ruinenlandschaft, die von der Natur langsam zurückerobert wurde. Nach dem Krieg wechselte das Saarland mehrfach die politische Zugehörigkeit, und das Gelände des alten Zollbahnhofs geriet in Vergessenheit. Ich gehe über das, was übrig blieb, und spüre, wie die Natur sich ihren Raum zurückgeholt hat. Trockenrasen breiten sich aus, seltene Pflanzen wachsen dort, wo einst Züge rollten. Es ist still, nur das Zirpen der Grillen und das Rascheln des Grases begleiten mich.
Heute: Zwischen Industrie und Genuss
Ein Teil des Areals wird heute industriell genutzt, doch an der Stelle des alten Bahnhofs steht jetzt das Restaurant Zollbahnhof. Es wirkt fast wie ein Fremdkörper inmitten der Geschichte, und doch ist es ein Zeichen dafür, dass Orte sich wandeln können. Das Restaurant war bekannt für seine gute deutsche Küche und zog Gäste aus der ganzen Region an. Während ich vor dem Gebäude stehe, stelle ich mir vor, wie es wäre, hier einzukehren, den Geist der Vergangenheit im Nacken und den Duft von Braten in der Nase. Die Idylle täuscht ein wenig, denn wer genau hinsieht, erkennt noch immer die Schatten der Geschichte, die über diesem Ort liegen.
Fazit: Ein Ort voller Geschichten
Der alte Zollbahnhof ist mehr als nur ein Stück Land zwischen Homburg und Kirkel. Er ist ein Ort, an dem sich Geschichte, Natur und Gegenwart begegnen. Während ich das Gelände verlasse, begleitet mich das Gefühl, dass hier noch viele Geschichten im Boden schlummern, manche erzählt, viele vergessen, alle spürbar, wenn man nur genau hinsieht.
















Ankunft an der Villa am See
Schon der Weg zur Villa am See war ein bisschen wie ein Spaziergang durch eine andere Zeit. Das Gebäude lag etwas versteckt, als hätte es sich absichtlich in die Bäume zurückgezogen. Die Fassade war von Efeu umrankt, Fensterläden hingen schief, und irgendwo knarrte eine Tür im Wind. Ich stand vor der alten Villa und musste grinsen, als mir einfiel, was dieser Ort einmal war. Ein Swingerclub, mitten im Grünen, mit direktem Zugang zum See. Irgendwie absurd und faszinierend zugleich.
Erkundung der Räume
Drinnen roch es nach Staub und altem Holz, aber auch nach etwas, das ich nicht ganz zuordnen konnte. Vielleicht war es die Mischung aus Parfümresten und Reinigungsmitteln, die sich in den Wänden festgesetzt hatte. Ich ging langsam durch die Räume, jeder mit seiner eigenen, seltsamen Geschichte. Da war das Spiegelzimmer, in dem sich das Licht der Nachmittagssonne in den verblassten Spiegeln brach und den Raum größer wirken ließ, als er eigentlich war. Ich stellte mir vor, wie hier früher das Leben tobte, jetzt aber war es still, fast ehrfürchtig.
Im sogenannten Klinikraum stand noch eine Liege, daneben ein Tablett mit alten, leeren Fläschchen. Die Fantasie ging mit mir durch, während ich mir ausmalte, was hier wohl alles passiert sein mochte. Die französische Wand, halb eingeklappt, wirkte wie eine Grenze zwischen zwei Welten. Das Rundbett im nächsten Zimmer war von einer dicken Staubschicht bedeckt, aber man konnte noch die Umrisse von Kissen und Decken erkennen. Alles wirkte wie eingefroren, als hätte jemand mitten in der Nacht einfach das Licht ausgemacht und wäre gegangen.
Das Außengelände und der See
Ich trat hinaus ins Freie, wo die Natur sich das Gelände langsam zurückholte. Der Weg zum See war von hohem Gras überwuchert, und die FKK-Liegewiese war kaum noch als solche zu erkennen. Trotzdem lag ein seltsamer Zauber über dem Ort. Der See glitzerte ruhig, als wäre hier nie etwas Ungewöhnliches passiert. Aber wenn man genauer hinsah, entdeckte man noch die Reste von alten Liegen und eine vergessene Hängematte, die im Wind schaukelte.
Das Gefühl, einen verlassenen Ort mit Vergangenheit zu betreten
Während ich durch die Villa streifte, wurde mir immer wieder bewusst, wie viel Geschichte in diesen Wänden steckte. Es war nicht gruselig im klassischen Sinn, eher ein Gefühl von Neugier und Respekt. Die Vorstellung, dass hier Menschen ihre geheimsten Wünsche ausgelebt haben, ließ mich schmunzeln. Es war, als ob die Luft selbst noch voller Geschichten war, die niemand mehr erzählen wollte. So verließ ich die Villa am See mit einem Kopf voller Bilder. Orte wie dieser sind wie Zeitkapseln, die einen für einen Moment in eine andere Welt entführen.















Ein letzter Abstecher: Die verlassene Schuhfabrik in Rodalben
Es gibt Orte, die schon beim Betreten eine seltsame Mischung aus Faszination und Beklommenheit auslösen. Nach dem Besuch des ehemaligen Swingerclubs führte mich mein Weg zur letzten Location des Tages: einer alten, verlassenen Schuhfabrik in Rodalben. Schon von außen wirkt das Areal wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Fenster sind blind vor Staub, das Gemäuer von Moos und Efeu überwuchert. Ein leichter Wind wirbelt Laub durch die aufgebrochene Eingangshalle und trägt einen Hauch von Vergangenheit mit sich.
Die Anfänge: Vom Schuhmacher zum Fabrikanten
Die Geschichte dieses Ortes beginnt im Jahr 1891, als Wilhelm Servas in Rodalben mit der Herstellung von Schuhen startete. Damals war das noch echte Handarbeit, jeder Schuh ein kleines Kunstwerk. Mit der Zeit wuchs das Unternehmen und wurde zu einer festen Größe in der Region. Die Fabrik selbst atmet noch immer den Geist dieser Pionierzeit. In den leeren Produktionshallen hallen meine Schritte wider, als würde das Gebäude auf ein neues Kapitel warten, das nie geschrieben wurde.
Expansion und Innovation: Die Tochter in Liezen
Die Erfolgsgeschichte von Servas endete nicht in Rodalben. 1966 wurde in Liezen eine Tochtergesellschaft gegründet. Anfangs arbeiteten dort 70 Mitarbeiter, die in einer umgebauten Weberei Damenschuhe fertigten. Schon nach eineinhalb Jahren platzte der Betrieb aus allen Nähten. Im Frühjahr 1969 begann der Bau einer neuen, modernen Fabrik direkt an der Ennstal Straße. Es muss damals eine Zeit des Aufbruchs gewesen sein, voller Hoffnung und Innovation. Heute stehen die Räume leer, und doch kann ich mir vorstellen, wie hier einst das geschäftige Treiben herrschte, Maschinen surrten und Menschen lachten.
Wachstum und Wandel: Die goldenen Jahre
1970 wurde das neue Werk in Liezen eröffnet, samt Wohnblock für die Angestellten. Die Produktion lief auf Hochtouren, und ab 1971 wurden auch Damenschuhe der Marke Dorndorf gefertigt. Die Fabrik war ein wichtiger Arbeitgeber, die Tagesproduktion lag 1974 bei stolzen 2000 Paar Schuhen, rund 250 Menschen fanden hier Arbeit. Die Hälfte der Schuhe ging in den Export. In den verlassenen Büroräumen stapeln sich noch vergilbte Aktenordner, als hätten die Mitarbeiter sie nur kurz verlassen. Die Atmosphäre ist dicht, fast greifbar, als würde die Vergangenheit noch immer in den Wänden stecken.
Der Niedergang: Globalisierung und das Ende der Produktion
Doch wie so viele Traditionsbetriebe blieb auch Servas nicht vom Wandel der Zeit verschont. Die Produktion wurde zunächst nach Portugal, später nach Asien verlagert. 1992 endete die Schuhherstellung in Liezen endgültig, und die Hallen wurden zu einem Möbelhaus umgebaut. Ein kleiner Verkaufsraum in der Stadt hielt noch einige Jahre die Erinnerung an die goldenen Zeiten wach, doch auch dieser wurde schließlich geschlossen. Heute ist das Areal ein stiller Zeuge des industriellen Wandels. Die Fabrik steht verlassen da, die Natur holt sich langsam zurück, was einst dem Menschen gehörte. Es ist, als würde die Zeit hier anders ticken, langsamer, schwerer, melancholischer.
Ein Ort voller Geschichten
Während ich durch die verlassenen Gänge schleiche, frage ich mich, wie viele Schicksale hier miteinander verwoben waren. Die Stille ist fast ohrenbetäubend, nur ab und zu knackt ein Balken oder eine Taube flattert auf. Es ist ein Ort, der einen nicht so schnell loslässt. Die Geschichte der Schuhfabrik in Rodalben ist mehr als nur ein Kapitel Industriegeschichte, sie ist ein Stück gelebtes Leben, eingefroren im Moment des Verlassens. Und während ich das Gelände verlasse, bleibt ein leiser Schauder zurück und das Gefühl, dass jeder Lost Place seine ganz eigenen Geister hat.














