Schloss Neumühle
Auslöser und Urbex-Regeln
Gestern habe ich in meinem alten Fotokästchen gekramt und ein paar Bilder von diesem Schloss auf Instagram hochgeladen. Kaum waren die online, ging das große Hin und Her in diversen Gruppen los: Das Schloss sei gar nicht Lost, ich hätte womöglich eingebrochen, um die Bilder zu machen und so weiter. Deshalb gleich vorneweg: Ich halte mich eisern an die Urbexregeln. Was zu ist, bleibt zu. Ich nehme nichts mit außer meinen Erinnerungen und Bildern und hinterlasse nichts außer meinen Fußspuren.
Der Zugang zum Schloss
Als ich das Schloss besuchte, war es definitiv Lost. Eine Tür stand offen, sodass ich über einen Nebentrakt ins Hauptgebäude gelangen konnte, um meine Bilder zu machen. Auch die kleine Kapelle mit dem Generatorraum war komplett offen. Ich hatte damals nur mein Handy und die Taschenlampe dabei, mehr brauchte ich auch nicht. Die Stimmung war schon recht eigen, es war nicht Nacht, aber es wurde relativ früh dunkel, und ich wollte nicht mit großem Lichtwerk auf mich aufmerksam machen. Also blieb es bei den Aufnahmen, die ich mit der Taschenlampe ausgeleuchtet habe, wenn keine Gefahr bestand, dass das Licht nach außen dringt.
Das Innere – Erdgeschoss und obere Stockwerke
Im Erdgeschoss befanden sich noch teilweise eingerichtete Zimmer und Bibliotheken. An vielen Stellen verabschiedeten sich die Tapeten von den Wänden, als hätten sie die Lust verloren, sich weiter festzuhalten. In den oberen Stockwerken waren eigentlich nur noch leere Räume und ehemalige Badezimmer zu sehen. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, durch diese verlassenen Flure zu laufen, immer mit der Angst im Nacken, dass plötzlich jemand auftaucht oder man selbst zu viel Lärm macht.
Die Stimmung und die Gerüchte
Die Atmosphäre war schon ein bisschen gruselig. In diversen Zeitungen konnte man den Unmut herauslesen, weil sich der jetzige Schlossbesitzer kaum um das Anwesen kümmerte. Laut mehreren Infos, die ich inzwischen bekommen habe, sind dort jetzt rumänische Hausmeister vor Ort, die angeblich auch bewaffnet sind und die Polizei rufen. Ob das wirklich stimmt, kann ich nicht beurteilen. Wie immer bleibt es jedem selbst überlassen, was er macht.
Ein kurzer Blick in die Geschichte
Schloss Neumühle liegt im Ortsteil Neumühle der Gemeinde Beetzendorf in Sachsen-Anhalt. Es gilt als jüngster Schlossneubau Deutschlands und gehörte der Wolfsburger Linie des Adelsgeschlechts von der Schulenburg. Das Schloss ist fast so groß wie Schloss Wolfsburg. Im Westen liegt das Haupthaus, daran schließt sich ein langer Bau an, und im rechten Winkel dazu liegen zwei weitere Flügel. Das Haupthaus hat vier runde Ecktürme und fünf Stockwerke. Es liegt auf einer Anhöhe, umgeben von großzügigen Gartenanlagen und Wald, sodass man es aus der Entfernung kaum sieht.
1938 wurde Schloss Wolfsburg enteignet, und die von der Schulenburgs bauten ab 1938 ein neues Schloss auf ihrem Waldgrundstück. Es wurde nach Plänen von Paul Bonatz in moderner Bauweise errichtet und 1942 bezogen. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Teile der Kunsthalle Bremen hier versteckt. 1944 versteckte Ursula Gräfin von der Schulenburg den Familienschatz im Schloss. Gegen Kriegsende wurde das Schloss von US-Soldaten genutzt, dann kurz von den Briten und schließlich von sowjetischen Soldaten geplündert. Der Familienschatz blieb unentdeckt.
Nach dem Krieg wurde das Schloss als Flüchtlingsunterkunft, später als Heilstätte für Lungentuberkulose und ab 1965 als Pflegeheim für geistig Behinderte genutzt. Nach der Wende wurde es nicht an die Familie zurückgegeben. 1993 wurde es zu einem Seniorenwohnheim, das bis 1997 bestand. Im Herbst 2001 wurde der Familienschatz von einer Privatperson in einer Doppelwand gefunden und den Nachkommen übergeben. Seit März 2000 gehört das Schloss einem Hamburger Immobilienkaufmann und ist nicht öffentlich zugänglich.
Abschied und Nachklang
Als ich das Gelände wieder verließ, war es fast dunkel. Die Schatten wurden länger, und das Gefühl, beobachtet zu werden, wich erst, als ich ein gutes Stück entfernt war. Ich habe nichts mitgenommen außer meinen Erinnerungen und Bildern – und das Gefühl, einen Ort erlebt zu haben, der seine Geheimnisse nicht jedem preisgibt. Schloss Neumühle bleibt für mich ein besonderer Lost Place: ein bisschen gruselig, voller Geschichte und mit einer Atmosphäre, die einem noch lange im Kopf bleibt.




















































Der Weg zur kleinen Kapelle
Der Pfad windet sich den Hang hinauf, vorbei an knorrigen Bäumen und verwitterten Grabsteinen des alten Friedhofs. Die St. Georgs-Kirche, die alte Schlosskapelle, liegt auf halber Höhe zwischen Stadt und Schloss. Schon im Jahr 1290 soll sie existiert haben, und ihre spätmittelalterlichen Wandmalereien machen sie zu einem der bedeutendsten Baudenkmäler der Region. Das Fachwerk am Turm wirkt wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, und ich frage mich, wie viele Generationen von Menschen hier schon gestanden und vielleicht genau das gleiche Gefühl von Ehrfurcht und Beklommenheit gespürt haben wie ich jetzt.
Der Friedhof davor ist einer dieser Orte, an denen die Zeit stillzustehen scheint. Zwischen den alten Steinen, überwuchert von Moos und Efeu, raschelt es leise im Wind. Ich bleibe einen Moment stehen, lasse den Blick über die Stadt schweifen, die unter mir liegt. Es ist still, nur das entfernte Zwitschern eines Vogels und das leise Knarren eines Astes sind zu hören. Die Kapelle selbst wirkt von außen unscheinbar, fast wie ein vergessenes Geheimnis, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden.
Der Generatorraum
Hinter der Kapelle, etwas abseits und fast verborgen, entdecke ich einen niedrigen Anbau. Die Tür steht einen Spalt offen, als hätte sie jemand in Eile verlassen. Ein kühler Luftzug weht mir entgegen, als ich eintrete. Der Raum ist klein, die Wände feucht und von der Zeit gezeichnet. Alte Kabel verlaufen an der Decke entlang, und in der Ecke steht ein verrosteter Generator, dessen Zweck heute niemand mehr so recht kennt. Vielleicht war er einst dafür da, die Kapelle oder das Schloss mit Strom zu versorgen, vielleicht diente er als Notstromaggregat in einer Zeit, in der das Licht öfter ausging als heute.
Das Surren, das ich erwarte, bleibt aus der Generator ist tot, aber seine Präsenz ist spürbar. Hier riecht es nach Öl und Metall, nach Vergangenheit und ein wenig nach Gefahr. Ich stelle mir vor, wie es gewesen sein muss, als der Generator noch lief, als das Licht flackerte und die Schatten an den Wänden tanzten. Ein Ort, an dem sich Technik und Geschichte berühren, und an dem die Zeit eine eigene Geschwindigkeit zu haben scheint.
Das Gefühl des Verlassenen
Ich stehe einen Moment still und lausche. Es ist diese besondere Stille, die nur verlassene Orte haben, nicht leer, sondern voller Erinnerungen. Jeder Schritt hallt nach, als würde das Gemäuer selbst zuhören. Die Gedanken kreisen: Wer hat hier gearbeitet, gebetet, gehofft? Was ist aus ihnen geworden? Es ist, als würde die Vergangenheit mit jedem Atemzug ein Stück näher rücken.
Draußen dämmert es langsam, das Licht wird noch fahler. Ich verlasse den Raum, werfe einen letzten Blick zurück auf den Generator, der wie ein stiller Wächter über die Geheimnisse des Ortes wacht. Die Kapelle, die alten Mauern, der Friedhof, sie alle erzählen Geschichten von Menschen, die längst gegangen sind, und von Zeiten, die nie ganz vergangen sind.
Auf dem Rückweg spüre ich, wie die Spannung langsam von mir abfällt, aber ein leiser Schauer bleibt. Schloss Neuenbürg und seine kleine Kapelle mit dem Generatorraum ein Ort, der mehr Fragen stellt, als er Antworten gibt, und der noch lange nachwirkt, wenn man ihn schon längst verlassen hat.


























Ein unerwartetes Nachspiel
Ich muss dir noch etwas erzählen, das mir im Nachhinein fast ein bisschen unangenehm ist. Du weißt ja, wie neugierig ich manchmal bin, besonders wenn es um spannende Orte geht, die nicht jeder kennt. Genau das wurde mir bei einer meiner letzten Touren beinahe zum Verhängnis. Das Gelände war natürlich Privatbesitz. Und wie es der Zufall so will, hat der Besitzer diesen Artikel im Netz gefunden, worauf ich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erhielt.
Zum Glück wurde die Anzeige aus verschiedenen Gründen fallengelassen (man konnte mir unter anderem nicht Nachweisen das ich selbst vor Ort war, ich schrieb zu dem Zeitpunkt ja immerhin viele Lost Place Stories nur anhand von Bildern, welche ich erhalten hatte). Inzwischen ist das ganze zum einen verjährt und zum anderen wohne ich inzwischen in Asien und komme garantiert nicht mehr zurück nach Deutschland 🙂
Also, wenn du mal auf deinen Touren an einem verlockend verlassenen Ort vorbeikommst, denk lieber zweimal nach. Es gibt genug andere spannende Geschichten, die man erleben kann, ohne sich dabei Ärger einzuhandeln.
