Waldprechtsweiher – Schwarzwaldwerk Mauterer
Ein Ort, der Geschichten atmet und langsam von der Natur verschlungen wird. Schon beim ersten Blick auf das Gelände des Schwarzwaldwerks Mauterer am Waldprechtsweiher spüre ich diesen besonderen Mix aus Neugier, Ehrfurcht und ein bisschen Gänsehaut. Es ist nicht die klassische Lost-Place-Atmosphäre, bei der man nachts durch stockfinstere Gänge schleicht. Nein, heute ist es Tag, und trotzdem liegt ein Hauch von Vergänglichkeit und Geheimnis in der Luft.
Ankunft am Lost Place
Der Weg führt mich entlang eines beliebten Wanderpfads, der direkt am Gelände vorbeischlängelt. Kein Wunder, dass immer wieder kleine Gruppen von Urbexern und Spaziergängern auftauchen, die neugierig einen Blick auf die Ruinen werfen und schnell ein paar Fotos machen. Die alten Mauern wirken wie ein Magnet, jeder will ein Stück Geschichte einfangen. Ich merke schnell: Hier ist man selten wirklich allein, und doch fühlt sich der Ort seltsam entrückt an.
Die Umgebung – Verfall trifft Natur
Das Gelände selbst ist ein Lehrbuchbeispiel für den langsamen, aber unaufhaltsamen Rückeroberungszug der Natur. Efeu und Sträucher wuchern über Mauern, die Fenster sind größtenteils eingeschlagen, aber Graffiti halten sich erstaunlich in Grenzen. Stattdessen dominiert der „natürliche“ Verfall: bröckelnder Putz, rostige Maschinen, die wie Relikte aus einer anderen Zeit wirken. An manchen Stellen wurde mal begonnen, Wände wieder zuzumauern, vermutlich, um die einsturzgefährdeten Bereiche abzusichern. Ein bisschen schade, denke ich, denn gerade diese halb offenen Räume geben dem Lost Place seinen besonderen Reiz.
Ein Streifzug durch die Geschichte
Mit jedem Schritt durch die alten Hallen wird mir klar: Hier steckt viel mehr dahinter als nur ein weiterer verlassener Industriebau. Das Schwarzwaldwerk Mauterer war einst eine deutschlandweit geschätzte Fabrik für Reformnahrungsmittel und Schokoladenspezialitäten. Gegründet wurde das Werk von Carl (oder Karl) Mauterer, einem ehemaligen Chefkoch am Hof von Monaco, der nach einem Unfall in seine Heimat zurückkehrte und sich der Lebensreformbewegung verschrieb. Er eröffnete das erste Reformhaus in Karlsruhe und brachte sogar ein eigenes Kochbuch heraus. In Waldprechtsweiher kaufte er 1912 eine alte Hammerschmiede, aus der schließlich das Schwarzwaldwerk entstand.
Hier wurden nicht nur pflanzliche Würste, Suppen und Brote produziert, sondern auch Puffreisschokolade, Fruchtgelees, Yoghurtschokolade und viele andere Leckereien, die damals ihrer Zeit voraus waren. Bis zu 90 Mitarbeiter arbeiteten in den besten Zeiten in der Fabrik. Nach dem Krieg übernahm sein Sohn Ralf die Leitung, doch mit den Jahren wurde das Geschäft immer schwieriger. 1992 schloss das Werk endgültig seine Tore. Die Gebäude verfielen, wurden zwangsversteigert, ein Teil ging an einen Architekten und der Rest? Der gehört jetzt der Zeit und den Geschichten, die hier hängen geblieben sind.
Das Gefühl, einen verlassenen Ort zu betreten
Es ist ein seltsames Gefühl, durch die stillen Hallen zu gehen, in denen früher das Leben pulsierte. Manchmal knackt ein Ast, irgendwo flattert ein Vogel auf. Die Sonne wirft scharfe Schatten durch die zerbrochenen Fenster. Ich stelle mir vor, wie hier einst der Duft von Schokolade und frisch gebackenem Brot durch die Räume zog, wie Arbeiter lachten, Maschinen ratterten, Lieferwagen vorfuhren. Jetzt ist es still, aber nicht tot. Die Natur holt sich langsam zurück, was der Mensch verlassen hat.
Fazit – Ein Lost Place mit Charakter
Der Besuch im Schwarzwaldwerk Mauterer ist mehr als nur ein Ausflug zu einem verlassenen Ort. Es ist eine kleine Zeitreise, eine Begegnung mit der Geschichte einer Familie, die mit Herzblut und Pioniergeist eine ganze Region geprägt hat. Und es ist ein Ort, der auch im Verfall noch Würde ausstrahlt, vielleicht gerade deshalb, weil die Natur hier langsam, aber unaufhaltsam das letzte Wort hat.
Ich verlasse das Gelände mit dem Gefühl, einen besonderen Ort erlebt zu haben. Ein bisschen melancholisch, aber auch inspiriert. Und mit dem festen Vorsatz, irgendwann wiederzukommen, solange noch etwas von dieser einzigartigen Atmosphäre übrig ist.


















