Pura Maduwe Karang
Geheimtipp im Norden: Mein Abstecher zum Tempel der Radfahrer
Stell dir vor, du bist auf einer staubigen Landstraße im Norden Balis unterwegs, das Fenster offen, die Luft warm und würzig, und plötzlich taucht am Straßenrand ein verschlafener, fast unscheinbarer Tempel auf. Genau so begann mein unerwartetes Abenteuer am Pura Maduwe Karang – einem Ort, der mich nicht nur wegen seiner Ruhe, sondern vor allem wegen seiner außergewöhnlichen Steinmetzkunst überrascht hat.
Die Fahrt ins Unbekannte
Eigentlich war ich auf dem Weg nach Singaraja, der alten Kolonialstadt im Norden. Die Landschaft wechselte von sattgrünen Reisterrassen zu trockeneren Feldern, immer wieder unterbrochen von kleinen Dörfern, in denen Kinder lachend am Straßenrand winkten. Mein Auto schlängelte sich durch Kurven, vorbei an Obstständen und Mopeds, die scheinbar nach eigenen Verkehrsregeln fuhren. Plötzlich fiel mir ein Schild ins Auge: „Pura Maduwe Karang“. Neugierig wie ich bin, bog ich ab – und landete mitten in einer anderen Welt.
Ein Tempel voller Geschichten
Schon beim Betreten des Tempelgeländes spürte ich, dass Pura Maduwe Karang anders ist als die bekannten Touristenmagneten im Süden. Keine Reisegruppen, keine Verkäufer, nur das leise Summen der Natur und ein paar Einheimische, die Blumenopfer bereiteten. Die Tempelmauern sind von Reliefs übersät, die Geschichten aus dem Ramayana erzählen – 36 steinerne Figuren begrüßen einen am Eingang, jede mit einer eigenen Pose und Mimik. Es fühlte sich an, als wäre ich inmitten einer steinernen Theateraufführung gelandet.
Das Fahrradwunder
Doch das eigentliche Highlight entdeckte ich erst im inneren Bereich: Ein kunstvoll gemeißeltes Relief eines Mannes auf einem Fahrrad. Ein Radfahrer im balinesischen Tempel? Ich musste schmunzeln. Die Geschichte dahinter ist ebenso charmant wie kurios: Der abgebildete Mann ist der niederländische Künstler W.O.J. Nieuwenkamp, der Anfang des 20. Jahrhunderts als einer der ersten Europäer Bali mit dem Fahrrad bereiste. Die Balinesen waren so fasziniert von ihm – und seinem Gefährt –, dass sie ihn kurzerhand in Stein verewigten. Statt gewöhnlicher Räder rollen die Reifen auf Lotusblüten, und oft steckt eine frische Frangipani hinter seinem Ohr. Ich konnte nicht widerstehen und posierte ebenfalls mit einer Blüte am Ohr – zur Belustigung eines älteren Tempelwächters, der mir stolz die beste Fotoperspektive zeigte.
Begegnungen, die bleiben
Was diesen Abstecher so besonders machte, waren nicht nur die kunstvollen Schnitzereien, sondern vor allem die Begegnungen. Ein älterer Balinese erzählte mir, wie der Tempel nach einem schweren Erdbeben restauriert wurde und wie die Reliefs die Verbundenheit der Menschen mit ihrer Erde und ihren Göttern zeigen. Wir lachten gemeinsam über die Vorstellung, wie ein Europäer mit einem Fahrrad einst für Staunen sorgte – heute wäre das wohl kaum noch ein Aufreger.
Abschied mit einem Lächeln
Als ich wieder ins Auto stieg, war ich nicht nur um ein paar schöne Fotos, sondern auch um eine Erfahrung reicher. Pura Maduwe Karang ist kein Ort, der mit Größe oder Prunk beeindruckt, sondern mit seiner stillen Poesie und den kleinen Geschichten, die zwischen den Steinen leben. Manchmal sind es genau diese unerwarteten Zwischenstopps, die einer Reise ihren Zauber verleihen.
Wenn du also das nächste Mal auf Bali unterwegs bist, halte die Augen offen für die kleinen Wunder am Wegesrand. Wer weiß, vielleicht wartet hinter der nächsten Kurve schon dein ganz persönliches Abenteuer – oder zumindest ein Radfahrer im Tempel, der dich zum Schmunzeln bringt.










