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Kambodscha

Angkor Archaeological Park

Sonnenaufgang, Tempelträume und Abenteuerlust

Kaum hatte ich meinen Rucksack im Day Day Inn in Siem Reap abgestellt, zog es mich hinaus. Allein unterwegs, aber voller Neugier, wollte ich die Magie von Angkor spüren, nicht nur die weltberühmten Tempel, sondern auch die versteckten Juwelen, die Geschichten aus Stein und Wasser, und die kleinen Momente, die nur entstehen, wenn man sich treiben lässt. Der Angkor Archaeological Park wartete und ich war bereit, mich in seinen Bann ziehen zu lassen.

Das Herz des Khmer-Reiches – Angkor Archaeological Park

Der Angkor Archaeological Park ist mehr als eine Ansammlung alter Steine, er ist ein riesiges, lebendiges Geschichtsbuch. Über 400 Quadratkilometer erstreckt sich dieses Gelände, durchzogen von Dschungel, Teichen und den Überresten einstiger Hauptstädte des Khmer-Reiches. Hier, zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert, entstand die größte vorindustrielle Stadt der Welt. Die berühmtesten Wahrzeichen sind zweifellos Angkor Wat und der Bayon-Tempel in Angkor Thom, beide von einer fast unwirklichen Schönheit und voller Details, die man erst beim zweiten oder dritten Blick entdeckt.

Angkor Wat selbst ist ein Meisterwerk der Architektur: Ein riesiger Tempel, der ursprünglich dem Hindu-Gott Vishnu geweiht war und später zum buddhistischen Heiligtum wurde. Die Anlage ist von einem Wassergraben umgeben, die Türme symbolisieren den heiligen Berg Meru, Heimat der Götter in der hinduistischen Mythologie. Die Wände sind mit Reliefs übersät, die Szenen aus Mythologie und dem höfischen Leben zeigen. Angkor Thom, die letzte große Hauptstadt, beeindruckt mit dem Bayon-Tempel, dessen Türme von rund 200 rätselhaften, lächelnden Gesichtern geschmückt sind. Es fühlt sich an, als würden sie einen überallhin begleiten.

Seit 1992 zählt Angkor zum UNESCO-Weltkulturerbe, ein Titel, der kaum ausdrücken kann, wie einzigartig dieser Ort wirklich ist.

Prasat Kravan – Ein Ziegeltempel für Vishnu

Abseits der großen Besuchermassen entdeckte ich Prasat Kravan, einen eher kleinen, aber feinen Tempel südlich des Srah Srang. Er wurde 921 eingeweiht und ist einer der letzten großen Ziegelbauten der Khmer. Fünf Türme stehen nebeneinander auf einer Plattform, alle nach Osten ausgerichtet. Besonders faszinierend: Im Inneren des mittleren Turms sind Reliefs direkt in das Ziegelmauerwerk gemeißelt, ungewöhnlich für die Khmer-Architektur. Die Darstellungen zeigen Vishnu in verschiedenen Gestalten, im Nordturm ist seine Frau Lakshmi zu sehen. Die Atmosphäre ist ruhig, fast meditativ, und ich traf einen älteren Mönch, der mir mit einem Lächeln erklärte, dass der Tempel nach einem Kardamom-Baum benannt sei, der hier einst stand. Ein schöner Moment, der zeigt, wie eng Natur und Spiritualität hier verwoben sind.

Banteay Kdei – Das Kloster der Kammern

Weiter ging es zu Banteay Kdei, einem weniger bekannten, aber geschichtsträchtigen Klosterkomplex. Errichtet zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert unter König Jayavarman VII., wirkt Banteay Kdei wie eine kleinere, schlichtere Schwester des berühmten Ta Prohm. Die Anlage ist ein Labyrinth aus Kammern, Höfen und Galerien, deren Wände von tanzenden Apsaras geschmückt sind. Die Bausubstanz ist brüchig, der Zahn der Zeit hat Spuren hinterlassen und doch liegt gerade darin ein besonderer Reiz. Ich begegnete einer Gruppe Kinder, die im Schatten der Mauern spielten und mir lachend halfen, den richtigen Weg durch das Gewirr der Gänge zu finden. Banteay Kdei ist weniger überlaufen, fast intim, und man spürt die Geschichte an jeder Ecke.

Srah Srang – Das königliche Wasserbecken

Direkt gegenüber von Banteay Kdei öffnet sich plötzlich die weite Wasserfläche des Srah Srang. Das Reservoir misst etwa 725 mal 400 Meter und wurde im 10. Jahrhundert angelegt, um „dem Wohl aller Kreaturen“ zu dienen, außer den Elefanten, die als „Deichbrecher“ galten. Die Ufer sind von einer Sandsteinterrasse gesäumt, die von Löwen und Naga-Schlangen bewacht wird. Hier saß ich am frühen Morgen, als die Sonne langsam über dem Wasser aufstieg und das Licht die Oberfläche in Gold tauchte. Ein Fischer ruderte leise vorbei, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Srah Srang ist mehr als ein Wasserbecken, es ist ein Ort der Ruhe, der Spiritualität und vielleicht auch ein bisschen Magie.

Prasat Leak Neang – Der kleine, feine Tempel

Nur 200 Meter östlich von Pre Rup versteckt sich Prasat Leak Neang. Der Tempel stammt aus dem Jahr 960 und ist ein echtes Kleinod: Ein einziger, quadratischer Ziegelturm, der auf jeder Seite mit Scheinportalen versehen ist. Über dem östlichen Eingang thront ein Relief von Indra auf seinem dreiköpfigen Elefanten Airavata, darüber betende Figuren. Viel mehr Schmuck gibt es nicht und genau das macht den Charme dieses Tempels aus. Ich war fast alleine hier, nur ein Gecko huschte über die warmen Steine. In solchen Momenten spürt man, wie groß die Vielfalt der Tempel von Angkor wirklich ist und wie viel es abseits der Hauptwege zu entdecken gibt.

Abenteurliche Anfahrt zum Banteay Samré

Die Fahrt zum Banteay Samré war ein kleines Abenteuer für sich. Die Straße führte mich vorbei an Reisfeldern, kleinen Dörfern und neugierigen Kindern, die mir zuwinkten. Immer wieder musste ich Schlaglöchern ausweichen und einmal sprang sogar ein Huhn direkt vor mein Motorrad. In einem Dorf am Rand des ausgetrockneten Östlichen Baray hielt ich kurz an. Eine alte Frau bot mir frische Mangos an, und wir kamen ins Gespräch, so gut es eben ging, mit Händen und Füßen und einem Lächeln. Diese Begegnungen sind es, die eine Reise lebendig machen.

Banteay Samré – Die Festung der Samré

Banteay Samré liegt etwas abseits der Touristenpfade, aber genau das macht seinen Reiz aus. Der Tempel wurde im 12. Jahrhundert im Stil von Angkor Wat erbaut, mit knospenförmigen Türmen und reich verzierten Reliefs. Die Anlage ist kompakt, aber beeindruckend. Besonders spannend fand ich die Mischung aus hinduistischen und buddhistischen Motiven, ein Spiegelbild der wechselvollen religiösen Geschichte der Khmer. Die äußere Galerie, die vier Tore, die „Bibliotheken“ im Innenhof, alles wirkt harmonisch und durchdacht. Während ich durch die stillen Höfe schlenderte, hörte ich in der Ferne die Stimmen von Kindern aus dem Dorf Pradak, das von den Nachfahren der Samré bewohnt wird. Es war, als würde die Vergangenheit hier ganz sanft in die Gegenwart übergehen.

Spean Thma – Die steinerne Brücke

Zum Abschluss meines Tages entdeckte ich Spean Thma, eine alte Steinbrücke, die einst den Siem-Reap-Fluss überspannte. Sie liegt etwas versteckt, nicht weit von Thommanon, und ist heute eine der wenigen erhaltenen Khmer-Brücken im Park. Die Brücke besteht aus 14 schmalen, gewölbten Bögen, gebaut aus Steinen, die einst Tempeln gehörten. Während ich über die Brücke balancierte, stellte ich mir vor, wie hier einst Händler, Pilger und vielleicht sogar Könige unterwegs waren. Die Brücke ist ein stiller Zeuge der Zeit und ein schönes Symbol dafür, wie in Angkor alles miteinander verbunden ist: Religion, Alltag, Natur und Geschichte.

Fazit: Mehr als nur Tempel

Angkor ist ein Ort, der einen nicht mehr loslässt. Die Tempel sind großartig, keine Frage, aber es sind die kleinen Momente, die Begegnungen, das Licht am Morgen und die Geräusche des Dschungels, die diese Reise unvergesslich machen. Allein unterwegs in Siem Reap, mit dem Day Day Inn als Basis, habe ich nicht nur Steine und Reliefs entdeckt, sondern auch ein Stück von mir selbst. Und ich weiß: Ich komme wieder.

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