Auf den Spuren von „Tomb Raider“
Der Shiva geweihte Pyramidentempel Phnom Bakheng liegt auf dem gleichnamigen Hügel nahe der kambodschanischen Stadt Siem Reap. Das Khmer-Wort „Phnom“ bezeichnet eine jäh ansteigende Erhebung.
König Yasovarman I. verlegte die Hauptstadt seines Reiches vom nicht weit entfernten Roluos in das Gebiet, das heute Angkor heißt; auf allen vier die Ebene überragenden Hügeln ließ er Tempel errichten: auf dem Phnom Dei im Norden, dem Phnom Bok im Osten, dem Phnom Krom im Süden und dem Phnom Bakheng im Westen. Den letztgenannten 55 m hohen Hügel wählte er als Standort seines neuen Staatstempels; ringsum ließ er seine neue Hauptstadt Yasodharapura bauen, ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 4 km.
Während der Terrorherrschaft der Roten Khmer bildete Phnom Bakheng eine strategische Festung: Von hier aus konnte man in alle Richtungen weit ins Land blicken.
Die Baumeister nutzten die Felssubstanz des Hügels, um einen eindrucksvollen Pyramidentempel zu konstruieren. Die etwa 200 auf 100 m große Plattform auf dem Gipfel des Hügels ist aus dem Fels gehauen, die fünfstufige Pyramide wurde dabei stehen gelassen: an der Basis 76 auf 76 m groß, von der Basis bis zur obersten Stufe 13 m hoch. Interessant ist der Versuch, durch perspektivische Täuschung die Pyramide höher erscheinen zu lassen: Nach oben hin verringert sich die Höhe der Pyramidenstufen; auch die Löwen, die die Treppen bewachen, werden nach oben hin immer kleiner.
Die Seiten der Plattform und der Pyramide schauen in die Haupthimmelsrichtungen; die etwa 70° steilen Treppen führen an allen vier Seiten mittig zum zentralen Heiligtum empor. Diese Architektur symbolisiert in ihrer Ausrichtung Harmonie mit Erde und Himmel, in ihrem Aufbau den ins Zentrum und nach oben führenden Weg zu den Göttern, die auf dem Berg Meru wohnen.
Der Tempel besitzt zusätzlich zum zentralen Prasat 108 weitere Türme. 108 ist im Hinduismus – wie auch im Buddhismus – eine heilige Zahl. Sicherlich spielte der tragfähige Untergrund des Phnom Bakheng eine Hauptrolle bei der Entscheidung, die Zahl 108 in Turmbauten umzusetzen. Um den Fuß der Pyramide herum sind 44 Ziegeltürme gruppiert, 11 auf jeder Seite; auf den Pyramidenstufen stehen 60 kleine Sandsteintürme, die Treppen flankierend und die Ecken schmückend; auf der obersten Stufe erhebt sich der erste Prasat-Quincunx der Angkor-Baugeschichte: fünf Türme, angeordnet wie die fünf Punkte auf der Fläche eines Würfels, das zentrale Heiligtum größer als die Ecktürme – dieses Arrangement wurde charakteristisch für alle späteren Staatstempel. Der Mediziner und Indologe Jean Filliozat vertrat die Ansicht, dass von allen Standpunkten aus immer nur 33 der 108 Türme sichtbar seien; dies sei die Zahl der Götter in Indras Himmel.
Im 16. Jahrhundert versuchte man, einen großdimensionierten, die oberste Pyramidenstufe komplett bedeckenden sitzenden Buddha zu errichten; offenbar verwendete man dabei Sandsteinblöcke aus den zentralen fünf Türmen, von denen nur noch Ruinen stehen. Die große Statue wurde nie vollendet und bei Restaurierungsarbeiten wieder abgetragen. Während der jüngsten Kriege kam es auf dem Phnom Bakheng zu weiteren Zerstörungen, was den ruinösen Eindruck verstärkte.
Auf der Ostseite der Plattform haben sich zwei so genannte Bibliotheken erhalten, mit rautenförmigen Durchbrüchen in den Wänden. Nahe der nordöstlichen Bibliothek steht ein Sandstein-Lingam. Die Außenwände des zentralen Heiligtums zeigen Sandsteinreliefs von Devata und Apsara, die ersten Darstellungen dieser Art.
Der Baksei Chamkrong ist ein kleiner, im 10. Jahrhundert erbauter, Shiva geweihter Pyramidentempel.
Zum Andenken an seinen Vater Yasovarman I. und an seine Mutter ließ der Angkorkönig Harshavarman I. einen Ahnentempel bauen, den Baksei Chamkrong.
In der Ebene rahmte ein Erdwall mit Wassergraben den unter Yasovarman I. auf einem Hügel errichteten Staatstempel Phnom Bakheng. Das eingefasste Gebiet war ein westöstlich gelagertes Rechteck von 650 × 440 m Größe. Die nordöstliche Ecke dieses Gebiets wählte Harshavarman I. für den Baksei Chamkrong. Der Nachfolger und Cousin von Harshavarman II., Rajendravarman II., residierte wieder im zentralen Angkorgebiet; den noch nicht ganz fertiggestellten Baksei Chamkrong ließ er richten, mit Stuckdekor überziehen und laut Inschrift am Mittwoch, dem 23. Februar 948 morgens um 9 Uhr 40 dem Gotte Shiva weihen.
Einige hinduistische Traditionen verorten den Berg Kailasa, der als Refugium Shivas gilt, im Nordwesten des mythischen Berges Meru. Die Lage des Shiva geweihten Ahnentempels im Nordwesten des Tempelberges Phnom Bakheng könnte auf eine entsprechende Bedeutung hinweisen.
Laut Zieger lassen sich am Baksei Chamkrong „die Elemente des Pyramiden-Tempels bequem überblicken“:
eine vierstufige Pyramide mit vier Treppenaufgängen aus den Haupthimmelsrichtungen,
darauf ein Prasat mit vier gleichen Fassaden, Zugang in der Ostseite, Scheintüren in den drei anderen Seiten, bestehend aus Cella und vier Dachgeschossen.
Für die drei unteren Stufen der Pyramide verwendeten die Khmer-Baumeister erstmals Laterit. Die oberste Pyramidenstufe besteht aus profiliertem Sandstein, der Prasat hat einen Sandsteinsockel und besteht aus Backstein. An der Basis misst die Pyramide 27 × 27 m, oben 15 × 15 m; diese obere Plattform befindet sich 13 m über der Umgebung. Massive Mauern flankieren die steilen Treppen und verwehren den Zugang zu den Terrassenabsätzen. Mit seinem dramatischen Anstieg übertraf der Baksei Chamkrong alle seine Vorläufer und beeinflusste alle Nachfolgebauten.
Ursprünglich standen goldene Statuen von Shiva und dessen Gattin Devi in der Cella. Im Sandstein und im Backstein des Prasat wurden einige schöne und recht gut erhaltene Reliefs gestaltet; die im Backstein eingeritzten Devata an den Ecken des Prasat waren wohl Vorzeichnungen für die längst verschwundenen Stuckarbeiten.
Der östliche Türrahmen trägt eine wichtige Inschrift. Diese wurde im Jahr 947 im Auftrag von Rajendravarman II. angebracht. Anlass war die Errichtung einer goldenen Statue von Shiva. Die Sanskrit-Inschrift umfasst 48 Strophen. Als erstes erfolgt eine Lobpreisung verschiedener Götter. Dann werden verschiedene Stiftungen von Rajendravarman II. aufgezählt. Auch Stiftungen von Vorgängern werden aufgelistet. Der Einsiedler Kambu Swayambhuva und die Apsara Mera werden erwähnt; erstmals wird in einer kambodschanischen Inschrift das mythische Paar Kambu und Mera namentlich genannt. Rajendravarman II. rühmt seine Abstammung, die er auf Srutavarman und Rudravarman von Funan zurückführt.
Der Gebäudekomplex Ta Prohm ist eine aufgegebene Tempelanlage in Kambodscha bestehend aus Tempel, Kloster, weiteren kleineren Gebäuden und der umgebenden Mauer mit Ecktürmen und Gopurams.
Errichtet wurde Ta Prohm vom späten 12. bis hinein ins 13. Jahrhundert unter der Regentschaft von König Jayavarman VII. Spätere Erweiterungen erfolgten unter König Indravarman II. Der ursprüngliche Name lautete „Rajavihara“, was auch die Verwendung bezeichnete: das königliche Kloster. Obwohl Jayavarman VII. und auch seine Mutter, der er die Anlage widmete, Buddhisten waren, findet sich in Ta Prohm eine Vielzahl von Reliefs mit Darstellungen aus der hinduistischen Mythologie. Nach der Fertigstellung wurden in den Heiligtümern 260 Götter und Göttinnen verehrt. Die Weihung des Tempels erfolgte 1186 zu Ehren von Prajnaparamita, dem buddhistischen Konzept der „Perfektion der Weisheit“. Wie viele der Tempelanlagen in Angkor ist Ta Prohm damit ein Beispiel für den Synkretismus der damaligen Khmer-Bevölkerung.
Eine bemerkenswerte Darstellung zeigt den Aufbruch von Siddhartha Gautama, dem zukünftigen Buddha, aus dem Haus seiner Eltern und seiner Heimatstadt. Er reitet auf einem Pferd, wobei viele Götter dessen Beine tragen, um den Lärm der Hufe zu dämpfen, so dass Gautama unbemerkt seine Suche beginnen kann.
Die äußere Begrenzungsmauer der Anlage umschließt ein Gebiet von etwa 60 Hektar, wovon der Tempel und die ihn umgebenden Gebäude nur einen Hektar einnehmen. Jenseits der äußeren Mauer befanden sich rund 3.140 Dörfer mit insgesamt 80.000 Bewohnern. Auf dem Gelände selbst lebten vor allem Mönche. Eine Tempelinschrift gibt ihre Zahl mit 12.640 an.
Wie überall in Angkor waren aus Stein gebaute Gebäude religiösen Zwecken vorbehalten. Die Menschen, auch der König, lebten in Häusern aus Holz. Das ist auch der Grund, weshalb nur die Tempelanlagen die Jahrhunderte überstanden, während alle weltlichen Gebäude dem tropisch-feuchten Klima zum Opfer fielen.
Ta Prohm wurde im frühen Bayon-Stil errichtet, dessen auffälligstes Merkmal Türme mit oft mehrere Meter hohen Gesichtern des Bodhisattva Lokeshvara sind.
Eine besondere Stellung unter den Tempelanlagen von Angkor und in den Plänen von Besuchern nimmt Ta Prohm wegen des halbverfallenen Zustandes ein. Die Restauratoren und Architekten der École française d’Extrême-Orient, die ersten, die in der Neuzeit begannen, die Tempel zu restaurieren, beschlossen, einen Tempel in dem Zustand zu belassen, in dem sie ihn vorfanden. Die Wahl fiel auf Ta Prohm. Die Vegetation und die herabgefallenen Mauersteine wurden nur soweit entfernt und gesichert, dass es Besuchern möglich ist, die Anlage zu begehen. Besonders eindrucksvoll sind die Würgefeigen und die noch größeren Tetrameles nudiflora, deren Wurzeln ganze Gebäude überwachsen.
Die Ruinen dienten als Kulisse für den Film „Lara Croft: Tomb Raider“.
Der Chau Say Tevoda ist ein kompakter, ursprünglich hinduistischer Flachtempel
Der Thommanon und der Chau Say Tevoda liegen unmittelbar östlich von Angkor Thom.
Wenn man Angkor Thom durch das „Siegestor“ verlässt, liegen zwei Tempel wie Zwillinge links und rechts der zum Ta Keo führenden „Siegesallee“: der Thommanon und der Chau Say Tevoda. Der Thommanon wurde vermutlich im frühen 12. Jahrhundert errichtet, der Chau Say Tevoda wenige Jahrzehnte später. Sowohl Thommanon als auch Chau Say Tevoda zeigen stilistisch enge Verwandtschaft zu Angkor Wat, eine Datierung beider Tempel in die Regierungszeit des Khmer-Königs Suryavarman II. ist also plausibel.
Östlich des Chau Say Tevoda führt ein steinerner Steg über eine kreuzförmige Terrasse zum Siem-Reap-Fluss. Die Platten des Stegs ruhen auf dreireihig angeordneten achteckigen Säulen. Steg und Terrasse sind jünger als der Tempel und entstanden vermutlich unter König Jayavarman VIII.
In den 1960er-Jahren wurden der Thommanon und das Westtor des Chau Say Tevoda sorgfältig restauriert.
Im Vergleich zum Thommanon ist der Chau Say Tevoda etwas kleiner. Die anders als beim Thommanon noch gut erkennbare Umfassungsmauer aus Laterit rahmt eine 50 × 40 m messende Fläche. Wie beim Thommanon sind vier Sandstein-Gebäude von Ost nach West aufgereiht: der östliche Gopura, der Mandapa, der Prasat, schließlich der westliche Gopura.
Allerdings besitzt der Chau Say Tevoda nicht nur zwei Gopura, sondern deren vier, und nicht nur eine so genannte Bibliothek oder Sakristei, sondern deren zwei. Der östliche Gopura ist dreitorig; sein mittleres Tor hat einen kreuzförmigen Grundriss mit kleinen Vorhallen und Seitenkammern. Die anderen drei Gopura sind lediglich eintorig; der westliche verfügt über Seitenkammern, der nördliche und der südliche verfügen über kleine Vorhallen. Die flachen steinernen Stege, die vom Prasat zu den Gopura verlaufen, sind wohl wie der Steg im Osten der Anlage spätere Ergänzungen. Die beiden Bibliotheken sind, anders als die eine Bibliothek des Thommanon, stark verfallen. Die meisten der ausgezeichneten Reliefs haben unter den Jahrhunderten und unter Vandalismus sehr gelitten. Gut erhalten sind immerhin zwei Illustrationen des Ramayana auf der Südseite des Osttors: der Kampf zwischen dem Affenkönig Vali und seinem Halbbruder Sugriva und der Tod des Vali.