Roundtrip um San Carlos
Negros auf zwei Rädern: Freiheit, Geschichte und das echte Leben
Schon beim ersten Dreh am Gasgriff spüre ich: Das hier ist mehr als nur eine Reise – es ist ein Gefühl von Freiheit, das nur das Motorradfahren schenken kann. Die Straßen von Negros liegen vor mir, mal schnurgerade durch Zuckerrohrfelder, mal kurvig durch dichte Wälder und vorbei an kleinen Dörfern, in denen das Leben noch im eigenen Takt schlägt. Mein Rucksack ist festgezurrt, der Helm sitzt – und das Abenteuer beginnt.
Mit „Siete“ auf Tuchfühlung – Legenden aus Stahl
Mein erster Stopp: Sagay City. Ich rolle gemütlich auf die Plaza, wo „Old Train No. 7“, liebevoll „Siete“ genannt, als Denkmal thront. Die Sonne glitzert auf dem alten Stahl, und ich stelle mir vor, wie diese Dampflok einst durch die Zuckerrohrfelder schnaufte, genau wie ich jetzt mit dem Motorrad durch die Landschaft cruise. Die Einheimischen nicken mir anerkennend zu – Motorradfahrer sind hier keine Seltenheit, aber ein neugieriger Backpacker auf zwei Rädern sorgt immer für Gesprächsstoff.
Ich stelle mir vor, wie die Arbeiter damals auf den Trittbrettern standen, den Rauch im Gesicht, während sie durch das grüne Meer aus Zuckerrohr fuhren. Die Geschichten der Einheimischen, die mir mit leuchtenden Augen von der Lok erzählen, machen klar: Siete ist mehr als ein Denkmal – sie ist ein Symbol für die industrielle Blütezeit der Region. Und ich? Ich stehe mittendrin, spüre ein wenig von diesem Pioniergeist, der Negros geprägt hat.















Broce Ahnenhaus – Festung, Familiensitz und Zeitzeuge
San Carlos City empfängt mich mit einer Mischung aus kolonialem Charme und quirligem Alltag. Mein Ziel: das Broce Ahnenhaus in der V. Gustilo Street. Schon von außen wirkt das festungsähnliche Herrenhaus beeindruckend. 1937 erbaut, sollte es Don Florentino Broce und seiner Familie vor unruhigen Zeiten schützen – kein Wunder, als einer der größten Landbesitzer der Stadt war Sicherheit oberstes Gebot.
Beim Umrunden des Hauses spüre ich die wechselvolle Geschichte: Während des Zweiten Weltkriegs wurde ein Teil des Hauses zum Tresor der Philippine National Bank umgebaut – Fenster zementiert, Sicherheit vor allem. Später diente es als Rathaus und sogar als Stadtgericht. Die Mauern haben vieles gesehen, und auch wenn das Anwesen heute meist leer steht, ist es ein Magnet für alle, die Geschichte spüren wollen.
Ich treffe einen älteren Herrn, der mir mit einem verschmitzten Lächeln erzählt, wie seine Großmutter als Kind im Broce-Haus spielte. „Damals war das Leben anders, langsamer, aber voller Hoffnung“, sagt er. Solche Begegnungen machen für mich den Reiz des Reisens aus – Geschichte wird lebendig, wenn Menschen sie teilen.










Mayana Peak – Schweiß, Aussicht und Heilpflanzen
Nach so viel Geschichte ruft die Natur. Vom Bacolod South Terminal aus steige ich in einen Bus Richtung Mayana Peak. Die Fahrt ist eine Stunde lang, vorbei an Reisfeldern, kleinen Dörfern und immer mit Blick auf die grünen Hügel. Die letzten Kilometer geht’s mit dem Habalhabal, einem Motorrad-Taxi, über eine holprige Piste – mein Fahrer lacht, als ich mich festklammere.
Am Fuß des Mayana Peak warten schon die lokalen Guides. „Viel Wasser, Kamera nicht vergessen“, rufen sie mir zu. Der Aufstieg ist schweißtreibend, aber die Aussicht entschädigt für alles: Vor mir breitet sich das grüne Herz von Negros aus, Wolken ziehen über die Gipfel, und überall wachsen die namensgebenden Mayana-Pflanzen – ein Heilkraut, das hier von den Einheimischen geschätzt wird.
Oben angekommen, atme ich tief durch. Der Wind streicht über das Plateau, und ich fühle mich, als hätte ich die Insel für einen Moment ganz für mich allein. Die Guides erzählen mir, wie sie als Kinder hier oben spielten und die Pflanzen sammelten. Ich merke: Die Verbindung zur Natur ist hier nicht nur Tradition, sondern Lebensgefühl.



















La Fortuna Wildlife Resort – Verbotene Ruhe am See
Auf der Suche nach etwas Ruhe lande ich am La Fortuna Wildlife Resort. Der See ist eine Seltenheit auf Negros, und ich freue mich auf ein wenig Entspannung. Doch kaum angekommen, werde ich freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen, dass das Gebiet ein Naturschutzgebiet ist und längeres Verweilen eigentlich nicht erlaubt ist. Mit einem Lächeln und ein bisschen Charme kann ich die Security überzeugen, mir zumindest eine kurze Pause zu gönnen.
Ich sitze am Ufer, lasse die Füße ins Wasser baumeln, und genieße die Stille. Es sind diese kleinen Momente, in denen ich die Gelassenheit der Filipinos bewundere: freundlich, pragmatisch, immer für einen kleinen Kompromiss offen. Ihre Mentalität steckt an – alles wird mit einem Lächeln und einer Portion Humor gelöst.















San Carlos City – Von Nabingkalan zur modernen Stadt
San Carlos City ist mehr als nur ein Zwischenstopp – hier verschmelzen Geschichte und Natur. Ursprünglich als „Nabingkalan“ bekannt, geht die Stadt auf eine Siedlung der Negritos zurück, die von einem gewissen Carlos Apurado zu einer blühenden Gemeinde gemacht wurde. Die Legende von Prinzessin Nabingka, nach der die Stadt einst benannt war, klingt noch heute in den Geschichten der Einheimischen nach.
Mit 40 Kilometern Küstenlinie, Mangrovenwäldern und Sandstränden ist San Carlos ein Paradies für Naturliebhaber. Ich spaziere durch die Straßen, lasse mich von der entspannten Atmosphäre treiben und genieße die Aussicht auf die Tanon-Straße. Vor der Küste liegt die Insel Sipaway – ein Geheimtipp für alle, die das ursprüngliche Leben suchen.
Die Chocolate Hills of Negros erinnern mich an das berühmte Pendant auf Bohol, aber hier sind sie weniger bekannt und fast menschenleer. Der Mount Kanlaon Natural Park lockt mit endemischer Flora und Fauna, und der uralte Baletebaum auf Sipaway ist ein weiteres Stück lebendige Geschichte.

























Naturwunder und Freiheit auf zwei Rädern
Die „Chocolate Hills of Negros“ sind mein nächstes Ziel. Die Straße dorthin ist ein Traum für jeden Biker: sanfte Kurven, grüne Hügel, immer wieder ein atemberaubender Ausblick. Ich halte an, genieße die Stille und die Weite. Der Mount Kanlaon lockt am Horizont, und ich weiß: Hier könnte ich Tage verbringen, wandern, entdecken, einfach leben.
Mit dem Motorrad bin ich flexibel, kann anhalten, wo ich will, und die kleinen Überraschungen am Wegesrand entdecken – sei es ein versteckter Wasserfall, ein Straßenstand mit den süßesten Mangos oder ein spontanes Gespräch mit neugierigen Kindern, die mein Bike bestaunen.
