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Philippinen

Unterwegs in Dumagete

Dumaguete: Auf den Spuren von Geschichte, Glauben und Begegnungen

Stell dir vor, du stehst im Schatten eines jahrhundertealten Steinturms, während die Nachmittagssonne langsam hinter filigranen Glocken verschwindet. Um dich herum summt das Leben, Kinder lachen, Händler preisen ihre Waren an, und irgendwo in der Nähe zündet eine ältere Dame eine Kerze an. Willkommen in Dumaguete – einer Stadt, in der Vergangenheit und Gegenwart so lebendig aufeinandertreffen, dass du sie beinahe greifen kannst.

Der Belfried von Dumaguete: Wächter einer bewegten Geschichte

Kaum ein Bauwerk verkörpert die Geschichte Dumaguetes so eindrucksvoll wie der Belfried. Schon beim ersten Anblick spüre ich, wie sich die Jahrhunderte zwischen den moosbedeckten Steinen und dem weißen Mauerwerk verdichten. Ursprünglich im frühen 19. Jahrhundert als Wachturm errichtet, war der Belfried einst die Lebensversicherung der Stadt. Piratenangriffe waren damals eine reale Bedrohung – sie kamen plötzlich, raubten, verschleppten Menschen. Der Turm warnte die Bewohner mit seinem Glockengeläut, sodass sie sich in Sicherheit bringen oder verteidigen konnten.

Heute ist der Belfried mehr als ein Relikt. Er ist ein Ort der Andacht und des Friedens. Direkt neben der Kathedrale der Heiligen Katharina von Alexandria gelegen, wurde er später auch genutzt, um die Menschen zur Messe zu rufen. Jetzt umgibt ihn ein liebevoll angelegter Garten, und an seiner Basis lädt eine Grotte mit der Statue der Immerwährenden Hilfe zum Innehalten ein. Besonders bei Sonnenuntergang, wenn das Licht den Turm in warmes Gold taucht, wird mir bewusst, wie sehr dieser Ort die Widerstandskraft und den Glauben der Menschen symbolisiert.

Ich beobachte, wie Einheimische Kerzen anzünden, beten oder einfach nur verweilen. Kleine Stände bieten handgefertigte religiöse Kunstwerke an – ein lebendiges Zeichen für die tiefe Spiritualität der Stadt. Es ist faszinierend, wie sich hier Geschichte, Glaube und Alltag verbinden. Der Turm steht nicht nur als Mahnmal vergangener Gefahren, sondern auch als Symbol für die Lebenskraft und Gemeinschaft der Dumagueteños.

Quezon Park: Das grüne Herz im Zentrum der Stadt

Ein paar Schritte weiter lande ich im Quezon Park, dem pulsierenden Treffpunkt im Herzen Dumaguetes. Hier, zwischen Kathedrale und Belfried, spüre ich, wie sehr öffentliche Plätze das soziale Leben prägen. Familien picknicken im Schatten, Kinder toben über die Wiesen, und ältere Herren diskutieren angeregt auf den Bänken. Der Park ist nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch ein historisches Denkmal, das nach Manuel L. Quezon benannt wurde – dem ersten Präsidenten der philippinischen Commonwealth-Regierung.

Quezon war ein Mann, der für Unabhängigkeit kämpfte und die Geschicke des Landes in einer turbulenten Zeit lenkte. Sein Engagement für Selbstbestimmung und Bildung prägte die Philippinen nachhaltig. Obwohl der Park keine Statue von ihm besitzt, spüre ich, dass sein Geist hier weiterlebt – als Ort des Austauschs, der Feste und der Gemeinschaft. Besonders am Nachmittag, wenn das Licht weicher wird, verwandelt sich der Park in eine Bühne für das alltägliche Leben und die kleinen, besonderen Begegnungen.

Silliman University: Wo Kulturen aufeinandertreffen

Mein Weg führt mich weiter zur Silliman University, die wie ein Schmelztiegel der Kulturen wirkt. Der Campus ist eine grüne Oase mit weitläufigen Rasenflächen, von mächtigen Akazien beschattet. Die Architektur – eine spannende Mischung aus amerikanischem Kolonialstil und philippinischer Moderne – erzählt von der bewegten Geschichte der Universität. Gegründet 1901 von amerikanischen Missionaren, entwickelte sich Silliman von einer kleinen Jungenschule zu einer international renommierten Universität.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Campus von japanischen Truppen besetzt, doch der Geist der Universität lebte im Untergrund weiter. Die sogenannte „Dschungeluniversität“ in den Bergen von Negros ist heute legendär. Nach dem Krieg übernahmen philippinische Leiter das Ruder, und Silliman wurde zu einem Symbol für Widerstandsfähigkeit und Wandel. Ich spaziere unter den alten Bäumen, genieße die entspannte Atmosphäre und komme schnell mit Studenten ins Gespräch. Ihre Offenheit und Hilfsbereitschaft spiegeln die berühmte Freundlichkeit der Dumagueteños wider.

Das Silliman Museum: Zeitreise durch die Kulturen der Philippinen

Ein echtes Highlight ist das Anthropologiemuseum der Silliman University. Schon das Gebäude – Silliman Hall – beeindruckt mit seinem amerikanischen Stick Style und den historischen Details. Im Inneren erwartet mich eine faszinierende Sammlung ethnologischer und archäologischer Schätze: uralte Keramiken, Waffen, Textilien und Alltagsgegenstände, die Geschichten von längst vergangenen Zeiten erzählen. Besonders spannend finde ich die Artefakte aus der Zeit um 500 v. Chr., die einen Einblick in die ursprünglichen Kulturen der Philippinen geben.

Das Museum ist mehr als eine Ausstellung – es ist ein Ort des Lernens und der Begegnung. Führungen, Workshops und Vorträge machen Geschichte hier lebendig. Die Mitarbeiter sind leidenschaftlich bei der Sache und teilen ihr Wissen gerne mit Besuchern. Auch wenn das Fotografieren im Inneren nicht erlaubt ist, bleibt der Eindruck tief und nachhaltig. Es ist, als würde ich durch die Jahrhunderte reisen und die Vielfalt der philippinischen Identität hautnah erleben.

Begegnungen und Mentalität: Die sanfte Seele Dumaguetes

Was mich an Dumaguete besonders berührt, ist die Mentalität der Menschen. Die Stadt trägt nicht umsonst den Beinamen „City of Gentle People“. Egal ob im Park, auf dem Campus oder am Belfried – überall begegne ich herzlicher Offenheit, Hilfsbereitschaft und einer entspannten Gelassenheit. Die Menschen sind stolz auf ihre Geschichte, aber auch neugierig auf die Welt. Sie nehmen Fremde freundlich auf, erzählen gerne Geschichten und lassen mich an ihrem Alltag teilhaben.

In Dumaguete spüre ich, wie sehr Vergangenheit und Gegenwart, Spiritualität und Lebensfreude, Gemeinschaftssinn und Individualität miteinander verwoben sind. Die Stadt ist kein Museum, sondern ein lebendiger Organismus, der seine Besucher mit offenen Armen empfängt und ihnen zeigt, dass Geschichte nicht nur in Büchern, sondern vor allem in den Herzen der Menschen weiterlebt.

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