Erster Tag in Ella
Motorradabenteuer im Herzen von Ella: Auf den Spuren der Demodara-Schleife
Stell dir vor, du schwingst dich auf dein Motorrad, der Fahrtwind trägt den Duft von Tee und feuchter Erde heran, während vor dir die grünen Hügel von Ella im Morgenlicht glühen. Du ahnst nicht, dass dich hinter der nächsten Kurve nicht nur atemberaubende Landschaften, sondern auch ein Wunderwerk der Ingenieurskunst erwartet – die legendäre Demodara-Schleife. Komm mit auf meine ganz persönliche Reise durch Sri Lankas Hochland, wo jede Kurve eine Geschichte erzählt und der Weg selbst zum Ziel wird.
Die ersten Kilometer: Teeplantagen, Nebelschwaden und das Gefühl von Freiheit
Schon beim Start in Ella spüre ich, dass heute ein besonderer Tag wird. Der Motor meiner Royal Enfield brummt zufrieden, als ich mich durch das kleine Städtchen schlängle. Ella ist quirlig, aber sobald ich die Hauptstraße verlasse, wird es stiller. Die Straße windet sich durch endlose grüne Hügel, vorbei an Teepflückerinnen, die in bunten Saris wie Farbtupfer in den Feldern stehen. Immer wieder grüßen mich Kinder am Straßenrand, winken und rufen fröhlich „Hello!“. Ich grinse zurück – so herzlich wurde ich selten auf Reisen empfangen.
Die Luft ist frisch, fast kühl, und immer wieder tauchen Nebelschwaden auf, die die Landschaft in ein geheimnisvolles Licht tauchen. Ich halte kurz an, um den Ausblick zu genießen: Über mir ziehen Wolkenfetzen vorbei, unter mir breiten sich die Teeplantagen wie ein grüner Teppich aus. Ein alter Mann kommt mir entgegen, schiebt sein Fahrrad bergauf und lacht, als ich ihm zuwinke. „Good ride, sir?“, fragt er. Ich nicke begeistert – besser könnte es kaum sein.
Die Legende von Demodara: Wo Züge sich selbst begegnen
Mein Ziel ist heute die berühmte Demodara-Schleife, ein Ort, der unter Eisenbahnfreunden als echtes Kuriosum gilt. Schon die Anfahrt dorthin ist ein Erlebnis: Die Straße wird schmaler, kurviger, und plötzlich öffnet sich der Blick auf eine kleine Bahnstation, die scheinbar mitten im Nirgendwo liegt.
Hier, 912 Meter über dem Meer, haben britische Ingenieure vor über hundert Jahren ein Problem gelöst, das unlösbar schien. Die Hügel waren zu steil für eine normale Bahnstrecke – also ließen sie sich von einem einfachen Turban inspirieren. Die Legende besagt, ein Aufseher auf einer Teeplantage habe seinen Turban abgenommen und gezeigt, wie man ihn spiralförmig um den Kopf wickelt. Genau so windet sich heute die Bahnlinie: Sie macht eine vollständige Schleife, taucht in einen Tunnel ein und kommt direkt unter dem Bahnhof wieder heraus.
Ich parke mein Motorrad am Straßenrand, setze mich auf eine kleine Mauer und warte. Plötzlich höre ich in der Ferne das typische Tuten des Zuges. Kurz darauf schlängelt sich der Zug durch die grüne Landschaft, verschwindet im Tunnel – und taucht direkt unter meinen Füßen wieder auf. Ein paar Einheimische winken den Passagieren zu, Kinder laufen dem Zug hinterher. Ich kann kaum glauben, dass ich Zeuge dieses Spektakels bin.
























Zwischen Tee, Gleisen und Wasserfällen
Mein nächstes Ziel war der berühmte Ella Rock, aber der Weg dorthin war schon das erste Abenteuer. Ich fuhr an den legendären Eisenbahnschienen entlang, die sich wie silberne Bänder durch die Landschaft ziehen. Immer wieder musste ich anhalten, um das Panorama zu genießen: Weite Täler, endlose Teefelder und im Hintergrund die schroffen Felsen des Ella Rock. Einmal begegnete mir ein alter Mann auf einem klapprigen Fahrrad, der mir ein breites, zahnloses Lächeln schenkte – so herzlich, dass ich spontan zurückwinkte und wir beide lachten, obwohl wir kein Wort wechselten.
Die Straße von Ella nach Haputale ist ein Traum für Motorradfahrer. Kurve um Kurve eröffnen sich neue Ausblicke, und plötzlich rauscht ein Wasserfall neben der Straße in die Tiefe. Ich hielt an, zog die Schuhe aus und ließ meine Füße im eiskalten Wasser baumeln. Es sind diese kleinen Pausen, die eine Reise unvergesslich machen.
Der Aufstieg zum Ella Rock – und ein bisschen Schweiß
Irgendwann parkte ich mein Motorrad am Rand eines Teeplantagenwegs und schnürte die Wanderschuhe. Der Ella Rock wartete – und der Aufstieg hatte es in sich. Anfangs folgte ich den Bahngleisen, dann ging es durch kleine Dörfer, vorbei an Kindern, die fröhlich „Hello!“ riefen. Der Weg wurde steiler, die Sonne kletterte höher, und ich war froh, genug Wasser dabei zu haben. Immer wieder begegnete ich anderen Wanderern – manche erschöpft, andere euphorisch – und wir tauschten Tipps und Geschichten aus.
Oben angekommen, war jeder Tropfen Schweiß vergessen. Der Blick vom Ella Rock ist schlicht atemberaubend: Das Tal öffnet sich weit, die Teefelder leuchten in allen Grüntönen, und in der Ferne sieht man den Little Adam’s Peak und die Ravana Falls. Ich setzte mich auf einen Felsen, ließ die Beine baumeln und sog die Aussicht in mich auf. Neben mir ein junger Singhaleser, der mir eine frische Kokosnuss anbot – wir prosteten uns zu, und für einen Moment war die Welt ganz einfach.
Zurück auf der Straße – Begegnungen und kleine Abenteuer
Der Rückweg führte mich wieder aufs Motorrad. In Ella war inzwischen das Leben erwacht: Marktstände, hupende Tuktuks, der Duft nach Curry und frischem Gebäck. Ich ließ mich treiben, hielt hier und da für einen Plausch oder einen schnellen Snack. Die Menschen in Ella sind neugierig, offen und immer für einen Witz zu haben – spätestens, wenn sie hören, dass ich mit dem Motorrad unterwegs bin, leuchten die Augen.















Vom Ella Rock ins Herz der Teekultur
Nach dem morgendlichen Abenteuer auf dem Ella Rock – meine Beine noch angenehm schwer vom Aufstieg, das Herz leicht vor Glück – schwang ich mich wieder auf mein Motorrad. Die Straßen rund um Ella sind ein Fest für die Sinne: Links und rechts ziehen sich Teefelder wie grüne Teppiche über die Hügel, dazwischen blitzen kleine Dörfer auf, in denen das Leben gemächlich pulsiert.
Die Fahrt zur Kinellan Tea Factory war kurz, aber intensiv. Die Sonne stand schon hoch, als ich das weiße und blaue Gebäude zwischen den Teebüschen entdeckte. Ein paar Einheimische winkten mir freundlich zu, während sie mit Körben auf dem Rücken zwischen den Pflanzen verschwanden. Ich parkte mein Motorrad, atmete tief ein und ließ den würzigen Duft der Teeblätter auf mich wirken.
Ein Blick hinter die Kulissen – Die Kinellan Tea Factory
Schon am Eingang der Fabrik wurde ich von einem Guide begrüßt, der mich mit einem Lächeln und einer ordentlichen Portion Wissen empfing. „Hier beginnt die Reise deines Tees“, sagte er und führte mich durch die verschiedenen Stationen der Herstellung. Vom frischen Pflücken der Blätter – eine Kunst für sich, wie ich schnell merkte – bis hin zum Trocknen, Rollen und Fermentieren. Besonders faszinierend fand ich die alten Maschinen aus den 1920ern, die noch heute zuverlässig ihren Dienst tun.
Zwischendurch begegnete ich den Arbeiterinnen, die mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit die besten Blätter auswählten. Ich durfte sogar selbst Hand anlegen und versuchte mich im Pflücken – sagen wir so: Die Profis haben mich freundlich belächelt, als ich nach wenigen Minuten mit einem halbleeren Korb dastand.
Die Geräuschkulisse in der Fabrik war ein Mix aus surrenden Maschinen und dem leisen Murmeln der Mitarbeitenden. Überall roch es nach frischem Tee, mal blumig, mal erdig, je nachdem, an welchem Verarbeitungsschritt ich gerade vorbeikam. Am Ende der Führung wartete das Beste: eine Teeverkostung. Ich ließ den goldenen, noch dampfenden Ceylon-Tee auf der Zunge zergehen und verstand plötzlich, warum Tee in Sri Lanka mehr als nur ein Getränk ist – es ist ein Stück Identität.















Zurück im Homestay – Gedanken zum Tag
Mit einer Tüte frisch verpacktem Tee auf dem Motorrad und einem Kopf voller Eindrücke machte ich mich auf den Rückweg zu meinem Homestay in Ella. Die Sonne tauchte die Hügel in warmes Licht, und ich dachte darüber nach, wie viel Arbeit, Wissen und Leidenschaft in jeder Tasse Tee steckt. Der Tag war eine Mischung aus Abenteuer, Lernen und echten Begegnungen – genau das, was für mich das Reisen ausmacht.
