Historische Rundreise in Kandy
Ein Morgen im Herzen von Kandy – Das General Post Office
Schon beim ersten Licht des Tages spaziere ich durch die belebten Straßen von Kandy, die Luft ist erfüllt von einer Mischung aus würzigen Gerüchen und dem leisen Summen der Stadt. Mein Ziel: das ehrwürdige General Post Office, ein Gebäude, das mehr Geschichten zu erzählen hat, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Hier, wo heute Briefe und Pakete ihren Weg in die Welt finden, begann 1820 unter dem Generalpostmeister Louis Sansoni die Geschichte des ersten Postamts in Kandy. Damals, als Nachrichten noch per Kutsche über holprige Straßen transportiert wurden, startete 1832 der erste Postkutschendienst zwischen Colombo und Kandy. Ich stelle mir vor, wie die Pferde ungeduldig schnauben, während die Postbeamten in tropischer Hitze Briefe sortieren – und wie aufregend es gewesen sein muss, als 1857 die erste Überland-Telegrafenlinie die Städte verband.
Das heutige Postgebäude atmet noch immer den Geist vergangener Zeiten. Es wurde 1867 errichtet, ursprünglich als Railway Hotel, und später von der Regierung erworben. Davor stand hier die Bogambra Coffee Mill – der Duft von geröstetem Kaffee scheint fast noch in den alten Mauern zu hängen. Die große Halle, die hohen Decken, die knarrenden Dielen – ich kann nicht anders, als mich im Kopf in eine andere Epoche zu versetzen. Ein Ort, an dem sich die Wege von Reisenden, Händlern und Beamten kreuzten, an dem Neuigkeiten aus aller Welt eintrafen und weiterverbreitet wurden.











Zwischen Moderne und Geschichte – Der Bahnhof von Kandy
Nur einen Steinwurf entfernt erhebt sich der Bahnhof von Kandy, ein faszinierendes Bauwerk, das den Spagat zwischen viktorianischer Eleganz und modernistischem Stil wagt. Ich stehe auf dem Bahnsteig, höre das Quietschen der Räder, das Rufen der Schaffner und spüre die Aufregung, die in der Luft liegt.
Die Eisenbahnlinie von Colombo nach Kandy war ein technisches Wunderwerk ihrer Zeit. 1864 erreichte sie Ambepussa, 1866 Polgahawela, und nach dem Bau der Brücken über den Mahaweli Ganga und Maha Oya rollte 1867 die erste Dampflok nach Kandy. Am 1. August 1867 fuhren die ersten Personenzüge – damals dauerte die Fahrt stolze viereinhalb Stunden. Ich stelle mir die Reisenden vor, wie sie mit klopfendem Herzen durch die grünen Hügel Sri Lankas fuhren, immer das Ziel Kandy vor Augen.
Das Bahnhofsgebäude selbst ist ein architektonisches Statement: Art Moderne mit geschwungenen Linien und minimalistischen Formen, die sich wohltuend vom traditionellen Prunk der Umgebung abheben. Über den Bahnsteigen wölbt sich eine viktorianische Überdachung mit filigranen Metallarbeiten – ein Hauch von britischer Noblesse inmitten tropischer Üppigkeit. 2008 wurde der Bahnhof liebevoll renoviert, neue Bänke und Wartebereiche laden heute zum Verweilen ein. Ich lehne mich zurück, beobachte das geschäftige Treiben und lasse die Geschichte auf mich wirken.














Kolonialer Charme und königliche Geschichten – Das Queen’s Hotel
Mitten im Zentrum von Kandy thront das Queen’s Hotel, ein Gebäude, das so viel mehr ist als nur eine Unterkunft. Ursprünglich als Residenz für den Gouverneur erbaut, blickt es auf über 160 Jahre bewegte Geschichte zurück. Ich betrete die Lobby und fühle mich sofort in eine andere Zeit versetzt: hohe Decken, schwere Holzmöbel, der Duft von poliertem Holz und ein Hauch von britischer Teestunde.
Die Wände könnten Geschichten erzählen – von Gouverneuren, die hier residierten, von Soldaten des Ceylon Rifle Regiment, die in den angrenzenden Gebäuden untergebracht waren, von illustren Gästen wie Lord Mountbatten, der während des Zweiten Weltkriegs oft hier einkehrte. Im Restaurant Queen of Hearts genieße ich ein Curry, im Pub Royal, dem einzigen britischen Pub der Stadt, stoße ich mit einem kühlen Bier auf die Vergangenheit an. Die Lord Mountbatten Lounge Bar erinnert an große Zeiten, als Kandy ein Zentrum der Weltgeschichte war.















Schätze der Vergangenheit – Das Nationalmuseum von Kandy
Direkt neben dem berühmten Zahntempel betrete ich das Nationalmuseum von Kandy, das in einem Teil des alten Königspalastes untergebracht ist. Schon das Gebäude selbst ist ein Kunstwerk: Der Palle Vahala, einst Wohnsitz des königlichen Harems, strahlt die Eleganz der Kandy-Periode aus.
Im Inneren erwarten mich über 5.000 Artefakte – Waffen, Schmuck, Werkzeuge, kunstvolle Gegenstände aus der Zeit der Kandyan-Könige und der britischen Kolonialherrschaft. Besonders beeindruckend ist die Kopie des Abkommens von 1815, das die Provinzen Kandy an die Briten übertrug. Ich bleibe lange vor der goldenen Krone des letzten Königs stehen und stelle mir vor, wie sie einst bei festlichen Zeremonien funkelte. Im Garten des Museums entdecke ich die Statue von Sir Henry Ward, der als Gouverneur von Ceylon eine wichtige Rolle in der Geschichte spielte.














Zwischen Göttern und Legenden – Der Zahntempel und die Schreine
Ein paar Schritte weiter stehe ich vor dem berühmten Sri Dalada Maligawa, dem Zahntempel. Schon von außen beeindruckt der achteckige Turm, in dem heute eine Bibliothek untergebracht ist. Der Weg durch die verschiedenen Schreine ist eine Reise durch die spirituelle Geschichte Sri Lankas. In der dritten Etage des Hauptkomplexes sammeln sich Pilger vor dem Goldenen Schrein, um den heiligen Zahn Buddhas zu verehren, der unter sieben goldenen Dagobas aufbewahrt wird.
Die Atmosphäre ist elektrisierend – Gesänge, Blumenopfer, das leise Murmeln der Gläubigen. Ich frage mich, ob der Zahn wirklich echt ist, aber eigentlich spielt das keine Rolle. Die Energie und Hingabe der Menschen sind ansteckend. Im Sri Dalada Museum erfahre ich mehr über die bewegte Geschichte der Reliquie und bewundere Geschenke aus aller Welt.
Rund um den Tempel entdecke ich vier große Schreine, von denen nur einer buddhistischen Ursprungs ist. Der Natha Devale ist dem Schutzpatron Sri Lankas geweiht, die anderen drei sind hinduistischen Gottheiten gewidmet – ein faszinierendes Beispiel für die religiöse Vielfalt und Toleranz dieser Stadt.



















Eine Weltreise des Glaubens – Das Internationale Buddhistische Museum
Direkt neben dem Zahntempel tauche ich im Internationalen Buddhistischen Museum in eine ganz andere Welt ein. Hier präsentieren 17 Länder ihre buddhistische Geschichte, Kunst und Kultur. Ich wandere durch Ausstellungen aus Japan, Thailand, China, Nepal und vielen weiteren Ländern. Es ist, als würde ich eine spirituelle Weltreise machen, ohne Kandy zu verlassen. Die Vielfalt der Exponate zeigt, wie unterschiedlich und doch verbunden die buddhistischen Traditionen sind.
Das Museum ist in einem ehemaligen Palast untergebracht, der später von den Briten im viktorianischen Stil erweitert wurde. Die Atmosphäre ist ruhig, fast meditativ – ein perfekter Ort, um innezuhalten und über die Bedeutung von Glauben, Geschichte und kultureller Vielfalt nachzudenken.










Rhythmus der Berge – Der Kandy-Tanz
Am Abend, als die Sonne langsam hinter den Hügeln verschwindet, werde ich Zeuge einer der traditionsreichsten Kunstformen Sri Lankas: dem Kandy-Tanz. Die Tänzer in ihren kunstvollen Ves-Kostümen wirbeln über die Bühne, ihre Bewegungen erzählen Geschichten von alten Ritualen, Heilungen und göttlichen Interventionen. Ursprünglich als Reinigungsritual Kohomba kankariya aufgeführt, ist der Tanz heute das kulturelle Aushängeschild Sri Lankas.
Ich spüre den Rhythmus der Trommeln, sehe die funkelnden Spiegel auf den Kostümen und bewundere die Anmut der Tänzer. Es ist mehr als nur eine Aufführung – es ist ein lebendiges Stück Geschichte, das die Seele von Kandy widerspiegelt.








