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Vietnam

Tagestrip nach Cát Bà

Ein Morgen voller Vorfreude

Manchmal sind es die frühen Morgenstunden, die eine Reise besonders machen. Heute war so ein Tag. Ich schwang mich noch vor Sonnenaufgang auf mein Motorrad, die Luft war frisch und die Straßen fast leer. Das Ziel: Cát Bà, die größte Insel im berühmten Halong-Archipel. Schon die Vorstellung, mit der Fähre über das ruhige Wasser zu gleiten, ließ mich grinsen. Die Welt schien noch zu schlafen, während ich mich langsam aus der Stadt hinausbewegte.

Die Überfahrt, Stille und Weite

An der kleinen Fähranlegestelle angekommen, war kaum jemand zu sehen. Ein paar Fischer werkelten an ihren Booten, ansonsten herrschte eine fast meditative Ruhe. Ich rollte mein Motorrad auf die Fähre, suchte mir einen Platz am Rand und ließ den Blick über das Wasser schweifen. Die Sonne begann gerade, den Horizont in Pastelltöne zu tauchen, und das Meer lag spiegelglatt da. Die Überfahrt selbst war ein Erlebnis für sich. Die Fähre tuckerte gemächlich dahin, vorbei an kleinen Inseln und Karstfelsen, die wie schlafende Riesen im Wasser lagen. Die Stille wurde nur vom Brummen des Motors und dem leisen Plätschern der Wellen unterbrochen.

Ankunft auf Cát Bà, ein erster Eindruck

Als wir auf Cát Bà anlegten, war ich sofort gefesselt von der Landschaft. Die Insel wirkt wie eine grüne Oase, überall dicht bewaldete Hügel, dazwischen kleine Buchten mit fast weißem Sand. Die Straßen schlängeln sich durch üppigen Dschungel, immer wieder blitzt das Meer zwischen den Bäumen hervor. Es ist, als hätte jemand ein Stück Paradies mitten in die Bucht gesetzt.

Unterwegs auf zwei Rädern

Mit dem Motorrad auf Cát Bà unterwegs zu sein, fühlt sich an wie ein kleines Abenteuer. Kaum Verkehr, die Straßen gehören fast mir allein. Immer wieder halte ich an, um die Aussicht zu genießen. Mal ein Blick auf die zerklüfteten Felsen, mal auf das glitzernde Wasser. Die Luft ist erfüllt vom Duft nach Salz und feuchtem Laub, und das Licht der Morgensonne taucht alles in ein warmes, goldenes Leuchten.

Ein stiller Fund im Dschungel von Cát Bà

Es gibt diese Momente auf Reisen, die sich einbrennen, weil sie so unerwartet und eigenartig sind. Mein erstes „Fundstück“ auf Cát Bà war genau so ein Moment, eine verlassene Rangerstation, irgendwo auf dem Weg zur Trung Cave. Während draußen die Pandemie das Leben auf Sparflamme setzte, lag auch hier eine fast gespenstische Ruhe über dem Nationalpark.

Zwischen Karstfelsen und Dschungelpfaden

Der Weg zur Trung Cave schlängelte sich durch dichte Wälder, vorbei an schroffen Kalksteinfelsen, die wie uralte Wächter über die Insel wachten. Die Luft war feucht, das Grün satt und intensiv. Immer wieder öffneten sich kleine Lichtungen, auf denen das Sonnenlicht wie ein Spot auf die moosbedeckten Steine fiel. Es war, als würde die Natur hier jeden Tag eine neue Bühne aufbauen, nur für mich, denn andere Reisenden begegnete ich nicht.

Die verlassene Rangerstation, ein Relikt vergangener Tage

Plötzlich tauchte sie am Wegesrand auf, mehrere halb verfallene Hütten, die eindeutig einmal als Rangerstation gedient hatten. Die Dächer waren an einigen Stellen eingestürzt, Fensterläden hingen schief in den Angeln und auf einer Veranda hatten sich Blätter und Äste zu einem dicken Teppich gesammelt. Es war offensichtlich, dass hier schon lange niemand mehr gearbeitet hatte. Die Pandemie hatte die Einsamkeit dieser Station wohl noch verstärkt, aber auch schon vorher waren viele der Rangerstationen im Cat Ba Nationalpark in die Jahre gekommen und durch Stürme wie Yagi schwer beschädigt worden. Ich stellte mir vor, wie hier früher Ranger saßen, vielleicht mit einer dampfenden Schale Pho, immer bereit, den Park zu schützen und jetzt war alles still. Nur das Zwitschern der Vögel und das entfernte Rauschen des Windes waren zu hören. In solchen Momenten wird einem bewusst, wie vergänglich alles ist und wie sehr die Natur sich ihren Raum zurückholt, wenn der Mensch einmal wegbleibt.

Ein Ort voller Geschichten

Die verlassene Rangerstation war mehr als nur ein Gebäude. Sie war ein stiller Zeuge der wechselvollen Geschichte des Nationalparks. Nach Jahren der Vernachlässigung und den Schäden durch Naturgewalten wurden zwar neue Projekte für den Wiederaufbau gestartet, aber viele alte Stationen, wie diese, blieben zurück und erzählen nun ihre eigenen Geschichten. Vielleicht wird sie irgendwann abgerissen oder renoviert, vielleicht bleibt sie aber auch einfach stehen, bis der Dschungel sie ganz verschluckt hat. Für mich war diese verlassene Rangerstation auf dem Weg zur Trung Cave eines dieser kleinen Abenteuer, die eine Reise besonders machen. Sie war ein Symbol für die Ruhe und Einsamkeit, die während der Pandemie über der Insel lag, aber auch für die Kraft der Natur und die Vergänglichkeit menschlicher Spuren. Und so fuhr ich weiter, Richtung Cave, mit dem Gefühl, gerade etwas ganz Eigenes entdeckt zu haben.

Ein mystischer Moment, der Ankunft an der Trung Trang Cave

Als ich schließlich bei der Trung Trang Cave auf Cat Ba ankam, fühlte sich alles ein bisschen wie ein Abenteuermärchen an. Die Straße führte mich durch dichten Dschungel, die Luft war feucht und warm, und irgendwo in der Ferne hörte ich das Rufen von Vögeln. Schon der Weg zum Eingang der Höhle war spannend, ein schmaler Pfad schlängelte sich durch das satte Grün, begleitet von dem leisen Rascheln der Blätter und dem Gefühl, dass hier die Natur noch das Sagen hat.

Die Höhle im Herzen des Dschungels

Die Trung Trang Cave liegt mitten im Trung Trang Tal, etwa 15 Kilometer nordwestlich von Cat Ba Town. Der Eingang wirkt unscheinbar, fast versteckt zwischen den Bäumen, aber sobald ich die ersten Stufen erklommen hatte, eröffnete sich ein völlig neues Panorama. Von einer kleinen Plattform aus blickte ich über das endlose Blätterdach des Cat Ba Nationalparks, ein grünes Meer, das sich bis zum Horizont zog.

Mit jedem Schritt in die Höhle hinein wurde es kühler und dunkler. Ein paar Lampen beleuchteten den Weg, aber das Licht reichte gerade so, um die fantastischen Formationen aus Stalaktiten und Stalagmiten zu erkennen, die in Millionen von Jahren entstanden sind. Manche sahen aus wie Skulpturen, andere wie bizarre Kreaturen aus einer anderen Welt. Die Decke wölbte sich an manchen Stellen kathedralenartig über mir, dann wieder wurde der Gang so eng, dass ich mich fast ducken musste. Der Weg durch die Höhle ist etwa 300 Meter lang, aber gefühlt betritt man eine ganz andere Dimension.

Geschichte und Legenden, die in den Felsen leben

Was mich besonders faszinierte, Trung Trang Cave ist nicht nur ein geologisches Wunder, sondern auch ein Ort voller Geschichte und Mythen. In Kriegszeiten diente die Höhle als geheime Basis und als Unterschlupf für Soldaten. Noch heute finden sich Spuren aus dieser Zeit, kleine Nischen und Überreste, die von der Vergangenheit erzählen. Und dann ist da noch die Legende von Lady Trung Trang, einer mutigen Frau, die einst die Insel verteidigte. Sie soll nach einem siegreichen Kampf gegen Eindringlinge in der Höhle Zuflucht gesucht haben, um das Leben der Inselbewohner zu schützen. Die Einheimischen verehren sie bis heute, und ihr Name lebt in der Höhle weiter.

Ein Ort voller Leben und Stille

Obwohl es während der Pandemie ungewöhnlich ruhig war und ich die Höhle fast für mich allein hatte, spürte ich, dass hier trotzdem Leben herrscht. In den dunklen Ecken flattern Fledermäuse, die der Höhle früher auch den Namen „Bat Cave“ gaben. Manchmal hörte ich das Tropfen von Wasser, das sich seinen Weg durch den Fels bahnt. Es gibt hier eine ganz eigene, geheimnisvolle Atmosphäre, die sich schwer in Worte fassen lässt, ein Gefühl von Ehrfurcht und Staunen.

Nach dem Höhlenabenteuer, zurück ins Licht

Als ich wieder ins Freie trat, blendete mich das Tageslicht fast. Vor mir lag der Dschungel, die Luft war frisch und voller Vogelstimmen. Ich setzte mich für einen Moment auf einen Stein, ließ die Eindrücke sacken und spürte, wie die Stille der Höhle noch nachklang. Trung Trang Cave ist mehr als nur ein Ausflugsziel, es ist ein Fenster in die Geschichte, ein Ort der Naturgewalten und ein kleines Wunder, das man so schnell nicht vergisst.

Ein Tag zwischen Geschichte und Felsen in der Hospital Cave

Nach der Höhle ist vor der Höhle. Genau dieses Gefühl hatte ich, als ich nach meinem Besuch in der Trung Trang Cave direkt zur nächsten Station auf Cat Ba Island aufbrach, der legendären Hospital Cave. Während draußen Ruhe herrschte und die Straßen fast menschenleer waren, wartete in den Bergen ein Stück bewegte Geschichte auf mich.

Die ersten Schritte ins Innere

Am Eingang erwartet mich ein massives Eisentor, das wie ein Relikt aus einer anderen Zeit wirkt. Früher diente es als Schutzschild gegen Bomben und Kugeln. Die Tür ist so gebaut, dass sie Einschläge ablenkt und Geräusche dämpft, ein ausgeklügeltes System, das die Existenz des Feldlazaretts im Inneren geheim hielt. Hinter dem Tor öffnet sich ein unterirdisches Labyrinth, das auf den ersten Blick mehr an einen Bunker als an eine natürliche Höhle erinnert. Die Hospital Cave ist ein dreistöckiges Bauwerk mit insgesamt 17 Räumen, die sich auf gut 2.000 Quadratmetern verteilen. Schon nach wenigen Schritten spüre ich die kühle, feuchte Luft und das Echo meiner Schritte auf dem Betonboden.

Ein Krankenhaus im Berg

Die Höhle wurde zwischen 1963 und 1965 während des Vietnamkriegs gebaut, mit Unterstützung aus China. Sie diente als geheimes, bombensicheres Krankenhaus und als Unterschlupf für vietnamesische Soldaten und Zivilisten. Bis zu 100 Patienten konnten hier gleichzeitig behandelt werden. Die Räume sind noch heute originalgetreu rekonstruiert, Operationssaal, Krankenzimmer, Lagerräume, sogar ein kleiner Kinosaal und ein Schwimmbecken gehörten dazu.

Ich laufe durch die engen Gänge, vorbei an nachgestellten Patienten und OP-Tischen. Es fällt mir leicht, mir vorzustellen, wie hektisch und angespannt die Atmosphäre hier während der Bombenangriffe gewesen sein muss. Gleichzeitig beeindruckt mich die Ingenieurskunst, Belüftungsschächte, Fluchtwege und eine durchdachte Raumaufteilung zeigen, wie viel Know-how und Improvisationstalent in diesem Bauwerk stecken.

Natur und Geschichte verschmelzen

Was mich besonders fasziniert, die Hospital Cave ist nicht nur ein historischer Ort, sondern auch ein Naturwunder. Die Höhle entstand durch die Erosion von Wasser und Kalkstein über Millionen von Jahren. An den Wänden glitzern Stalaktiten und Stalagmiten, das Licht fällt durch schmale Spalten und taucht die Räume in ein geheimnisvolles Halbdunkel. Immer wieder bleibe ich stehen, um die bizarren Formen zu bestaunen, die die Natur hier geschaffen hat.

Ein stiller Ort der Erinnerung

Am Ende meines Rundgangs stehe ich an einem kleinen Altar, der den gefallenen Soldaten gewidmet ist. Es ist still. Nur das Tropfen von Wasser und das entfernte Rauschen des Waldes sind zu hören. In diesem Moment wird mir bewusst, wie viel Leid und Hoffnung, aber auch wie viel Überlebenswille in diesen Mauern steckt.

Fazit, ein Besuch, der nachhallt

Die Hospital Cave ist mehr als nur eine Sehenswürdigkeit. Sie ist ein Symbol für die Widerstandskraft und Kreativität der Menschen in Vietnam. Während draußen die Pandemie das Leben entschleunigt, scheint hier drinnen die Zeit stehen geblieben zu sein. Ich verlasse die Höhle mit dem Gefühl, ein Stück bewegter Geschichte nicht nur gesehen, sondern fast gespürt zu haben.

Und während ich wieder ins Tageslicht trete, weiß ich: Cat Ba hat noch viele Geschichten zu erzählen.

Ein unerwarteter Fund, der verlassene Checkpoint

Bevor ich das nächste große Ziel meiner Reise, das Cai Beo Floating Village, erreichte, wurde meine Fahrt durch einen kleinen, fast unscheinbaren Moment unterbrochen. Am Straßenrand, irgendwo zwischen den sattgrünen Hügeln und dem sich langsam nähernden Meer, tauchte plötzlich ein aufgegebener Checkpoint auf. Die Szenerie war wie aus der Zeit gefallen, ein verrostetes Schlagbaumtor, das sich schon lange nicht mehr bewegt hatte, ein Häuschen mit abblätternder Farbe und Fenstern, die mehr Staub als Durchsicht boten.

Ich hielt an, stieg aus und ließ den Moment auf mich wirken. Während der Pandemie war ohnehin alles ruhiger, aber hier schien die Zeit komplett stillzustehen. Kein Mensch weit und breit, nur das leise Zirpen der Grillen und das gelegentliche Rauschen des Windes durch das hohe Gras. Es war ein seltsames Gefühl, einerseits ein bisschen gespenstisch, andererseits faszinierend. Ich fragte mich, wie viele Geschichten dieser Ort wohl schon erlebt hatte, Kontrollpunkte für Reisende, vielleicht einst ein wichtiger Posten, jetzt nur noch ein Relikt vergangener Tage.

Auf dem Weg ins Cai Beo Floating Village

Nach diesem kurzen Ausflug in die Vergangenheit setzte ich meinen Weg fort, gespannt auf das, was mich im Cai Beo Floating Village erwarten würde. Die Landschaft veränderte sich langsam, die Straße schlängelte sich durch kleine Dörfer, vorbei an Reisfeldern und immer wieder mit Blick auf die imposanten Kalksteinfelsen, die wie Wachtürme über der Küste thronten.

Schon von Weitem konnte ich das Wasser glitzern sehen. Das Dorf Cai Beo liegt eingebettet in einer ruhigen Bucht, umgeben von smaragdgrünen Wellen und den markanten Karstfelsen des Cat Ba Archipels. Im Gegensatz zum geschäftigen Cat Ba Town, das nur wenige Kilometer entfernt ist, wirkt hier alles wie in einer anderen Welt, friedlich, entschleunigt und fast schon meditativ.

Cai Beo Floating Village, ein Leben auf dem Wasser

Als ich schließlich ankam, eröffnete sich mir ein Anblick, den ich so schnell nicht vergessen werde. Hunderte kleine, bunte Häuser schwimmen auf dem Wasser, miteinander verbunden durch schmale Stege und Bambuspfähle. Hier leben die Menschen seit mehr als 7.000 Jahren auf und mit dem Meer. Die Traditionen sind alt, die Lebensweise einzigartig, Kinder paddeln mit kleinen Booten zwischen den Häusern, Fischer flicken ihre Netze oder kümmern sich um die schwimmenden Fischfarmen, in denen Barramundi, Tilapia und andere Arten gezüchtet werden.

Das Dorf ist ein lebendiges Zeugnis der vietnamesischen Küstenkultur. Die Häuser, meist aus Holz und auf schwimmenden Plattformen gebaut, sind nicht nur Wohnraum, sondern auch Arbeitsplatz. Überall riecht es nach Meer, nach frischem Fisch und ein bisschen nach Abenteuer. Die Geräusche sind leise, fast meditativ, das Plätschern der Wellen, das Klopfen von Holz auf Holz, das ferne Lachen eines Kindes.

Natur und Geschichte im Einklang

Das Besondere an Cai Beo ist nicht nur die malerische Kulisse, sondern auch die Geschichte, die in jedem Winkel spürbar ist. Die Bewohner sind Nachfahren der Hoa Binh-Bac Son Kultur, und trotz aller Modernisierung hat sich hier vieles bewahrt, was anderswo längst verschwunden ist. Die schwimmenden Fischfarmen sind nicht nur wirtschaftliche Grundlage, sondern auch Ausdruck jahrhundertealter Traditionen, die bis heute weitergegeben werden.

Wer mag, kann das Dorf mit dem Boot oder Kajak erkunden, ein Erlebnis, das einen ganz neuen Blick auf das Leben auf dem Wasser eröffnet. Die Stille, das sanfte Schaukeln des Boots und die Nähe zur Natur machen schnell klar, warum dieser Ort als einer der schönsten und ursprünglichsten im Cat Ba Archipel gilt.

Von Cai Beo Floating Village an der Küste entlang

Nachdem ich die ruhigen Wasserstraßen und das zeitlose Leben im Cai Beo Floating Village hinter mir gelassen hatte, führte mich mein Weg weiter entlang der Küste, vorbei an sattgrünen Karstfelsen, spiegelglatten Buchten und kleinen, verschlafenen Fischerhäuschen, die wie Farbtupfer im Dunst lagen.

Die verlassene Austernfarm, Spuren einer anderen Zeit

Mitten in dieser friedlichen Szenerie stieß ich plötzlich auf eine verlassene Austernfarm. Sie lag still am Ufer, das Wasser plätscherte leise gegen die schwimmenden Plattformen. Alles war noch da, Netze, Käfige, Werkzeuge, als hätte man die Farm erst gestern verlassen. Die Sonne warf lange Schatten über die leeren Arbeitsflächen, auf denen einst fleißige Hände Austern sortierten und verpackten.

Es war ein seltsames Gefühl, durch diese Geisterfarm zu laufen. Überall Spuren der Arbeit, leere Körbe, Seile, die im Wind klapperten, und ein paar alte Gummistiefel, die jemand achtlos in eine Ecke gestellt hatte. Man konnte sich vorstellen, wie hier vor nicht allzu langer Zeit noch das geschäftige Treiben herrschte, wie Boote anlegten, um frische Austern abzuholen, und wie die Menschen lachten, riefen und sich über das Wetter unterhielten.

Austernzucht in Vietnam: Zwischen Boom und Krise

Vietnam ist bekannt für seine Austernzucht, die in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt hat. Besonders der Export nach Taiwan hat viele Farmen florieren lassen. Doch wie so oft im Leben, läuft nicht immer alles nach Plan. Stürme wie der Taifun Yagi haben ganze Bestände vernichtet und viele Farmen in die Knie gezwungen. Über 80 Prozent der Austern wurden damals einfach weggespült, und viele Farmen, vielleicht auch diese hier, konnten sich davon nicht mehr erholen. Die Nachfrage nach vietnamesischen Austern ist zwar groß, aber die Branche kämpft immer wieder mit Rückschlägen und Unsicherheiten.

Die Küste als stiller Zeuge

Während ich weiterlief, wurde mir bewusst, wie sehr diese verlassene Farm ein Symbol für den Wandel an Vietnams Küsten ist. Wo früher reger Handel und geschäftiges Treiben herrschten, ist es jetzt still. Die Natur holt sich langsam zurück, was der Mensch ihr einst abgerungen hat. Muscheln und kleine Krebse krabbeln über die leeren Plattformen, Algen ranken sich um die Netze. Es ist ein Ort voller Geschichten, von Hoffnung, harter Arbeit und vom plötzlichen Ende.

Die verlassene Fischfarm

Kaum hatte ich die verlassene Austernfarm hinter mir gelassen, führte mich mein Weg nur wenige hundert Meter weiter zu einem weiteren Relikt der Vergangenheit, einer großen, ebenso verwaisten Fischfarm.

Stille Wasser, verlassene Becken

Die Szenerie war fast surreal. Zwischen den niedrigen Uferbüschen und vereinzelten Palmen erstreckten sich rechteckige Wasserbecken, von denen einige noch schimmernd im Sonnenlicht lagen, während andere schon halb verlandet waren. Die Stege, die einst von Arbeitern und Fischern genutzt wurden, wirkten morsch und waren teilweise überwuchert. Es herrschte eine eigenartige Ruhe, nur unterbrochen vom gelegentlichen Platschen eines Fisches, der sich noch in einem der Becken verirrt hatte.

Ich stellte mir vor, wie hier früher geschäftiges Treiben geherrscht haben musste, Menschen, die Netze einholten, Futter verteilten, Boote, die zwischen den Becken pendelten. Jetzt lag ein Hauch von Melancholie über dem Ort, als hätte die Zeit selbst beschlossen, hier eine Pause einzulegen.

Spuren der Vergangenheit

Beim Umherstreifen entdeckte ich verlassene Gerätschaften, rostige Eimer, alte Fischkäfige und ein paar verblasste Schilder, die wohl einmal die verschiedenen Becken und Fischarten markiert hatten. Die Natur begann sich das Gelände langsam zurückzuerobern. Zwischen den Ritzen der Betonränder sprossen Gräser, Libellen tanzten über das Wasser, und ein paar Vögel nutzten die Ruhe, um ungestört nach Futter zu suchen.

Es war faszinierend zu sehen, wie schnell ein Ort, der einst für intensive Nutzung geschaffen wurde, wieder Teil der natürlichen Umgebung werden kann. In anderen Regionen, wie etwa in Andalusien, wurden ähnliche verlassene Farmen sogar zu Rückzugsorten für Vögel und andere Tiere, nachdem sie aufgegeben wurden. Manchmal entstehen aus solchen Ruinen ganz neue Biotope, in denen das Leben auf seine eigene Weise weitergeht.

Gedanken über Wandel und Vergänglichkeit

Während ich am Rand eines der größeren Becken saß, wurde mir bewusst, wie sehr sich die Welt während der Pandemie verändert hatte. Orte wie diese Fischfarm sind stille Zeugen davon, wie schnell wirtschaftliche Aktivitäten zum Erliegen kommen können. Vielleicht lag genau darin auch eine gewisse Schönheit, die Möglichkeit, dass die Natur sich ihren Raum zurückholt, wenn der Mensch einmal innehält. So wurde mein Spaziergang zu einer kleinen Zeitreise, von der Betriebsamkeit der Vergangenheit über die Stille der Gegenwart bis hin zu einer Zukunft, in der sich Mensch und Natur vielleicht wieder neu begegnen.

Im grünen Herzen von Cat Ba im Nationalpark

Nach den ruhigen Tagen an der Südküste von Cat Ba zog es mich wieder Richtung Norden. Mein Ziel: der berühmte Cat Ba Nationalpark. Während der Pandemie ist es hier ungewöhnlich still, fast schon andächtig, als würde die Natur selbst die Oberhand gewinnen. Ich spüre sofort, dass mich heute ein ganz anderes Abenteuer erwartet.

Der Weg ins Innere der Insel

Schon die Fahrt zum Park ist ein Erlebnis. Die Straßen schlängeln sich durch üppiges Grün, vorbei an kleinen Dörfern, bis ich schließlich am Eingangstor des Nationalparks stehe. Hier beginnt eine Welt, die sich von der restlichen Insel abhebt: Dichte, tropische Wälder, durchzogen von schroffen Kalksteinbergen, die wie uralte Wächter über die Landschaft ragen.

Dschungel, Kalkstein und stille Pfade

Der Cat Ba Nationalpark ist ein echtes Naturparadies. Über 280 Quadratkilometer zieht sich das Schutzgebiet, das als UNESCO-Biosphärenreservat anerkannt ist. Die Vegetation ist beeindruckend vielfältig, Mangrovenwälder, Regenwald und immer wieder diese bizarren Kalksteinformationen, die aus dem grünen Teppich herausragen. Die Luft ist feucht und schwer, überall zirpen Zikaden, und manchmal huscht ein Gecko über den Weg. Ich laufe auf schmalen Pfaden, die sich durch den Dschungel winden, immer wieder unterbrochen von steilen Anstiegen und kleinen Lichtungen, auf denen das Sonnenlicht wie durch einen grünen Filter fällt.

Auf den Spuren seltener Tiere

Mit jedem Schritt wird mir klarer, warum dieser Ort so besonders ist. Der Park ist Heimat für eine unglaubliche Artenvielfalt. Über 1.500 Pflanzenarten wachsen hier, darunter viele Heilpflanzen. Immer wieder raschelt es im Unterholz, vielleicht ein Reh, ein Eichhörnchen oder sogar einer der seltenen Makaken. Mit etwas Glück kann man hier sogar den legendären Goldkopflangur entdecken, eine der weltweit bedrohtesten Affenarten, die nur auf Cat Ba vorkommt. Ich halte immer wieder an, lausche und hoffe, einen Blick auf diese scheuen Tiere zu erhaschen, aber heute bleibt mir das Glück verwehrt. Dafür begleiten mich bunte Schmetterlinge und das ferne Rufen von Vögeln.

Zwischen Froschteich und Aussichtsgipfel

Mein Ziel ist der Aussichtspunkt Đỉnh Ngự Lâm, der als einer der schönsten der Insel gilt. Der Weg dorthin ist schweißtreibend, besonders bei der feuchten Hitze. Der Pfad führt vorbei am sogenannten Froschteich, ein kleiner, unscheinbarer Tümpel mitten im Dschungel, der seinem Namen alle Ehre macht. Von hier aus wird der Weg steiler, die Vegetation dichter, und ich merke, wie die Zivilisation langsam verschwindet. Nach einer guten Stunde steilen Aufstiegs stehe ich schließlich auf dem Gipfel. Der Ausblick ist spektakulär, unter mir breitet sich das grüne Meer des Dschungels aus, dahinter schimmern die Karstinseln der Halong-Bucht im Dunst. Es fühlt sich an, als würde ich auf das Dach einer anderen Welt blicken.

Stille Momente und wilde Schönheit

Was mich an diesem Tag am meisten berührt, ist die Stille. Kein Lärm, keine Touristenmassen, nur das leise Rauschen des Windes in den Baumwipfeln und das entfernte Rufen eines Vogels. Der Cat Ba Nationalpark zeigt sich mir von seiner wildesten und ursprünglichsten Seite. Ich genieße diesen Moment, atme tief die feuchte, erdige Luft ein und lasse den Blick schweifen. Es ist einer dieser Augenblicke, in denen man spürt, wie klein man eigentlich ist und wie groß die Welt da draußen.

Rückweg und Fazit

Der Abstieg ist nicht weniger abenteuerlich. Die Wege sind teilweise rutschig, und ich bin froh über meine festen Schuhe. Zurück am Parkeingang spüre ich die Müdigkeit in den Beinen, aber auch eine tiefe Zufriedenheit. Der Cat Ba Nationalpark hat mich mit seiner Vielfalt, seiner Ruhe und seiner wilden Schönheit beeindruckt. Gerade in dieser stillen Zeit fühlt sich der Besuch fast wie eine Reise in eine längst vergangene oder auch zukünftige Welt an.

Abschied von Cat Ba, ein stiller Abstecher ins Herz der Insel

Manchmal sind es die leisen Orte, die einen am meisten berühren. Zum Abschluss meines Aufenthalts auf Cat Ba, als die Insel während der Corona-Pandemie fast schon gespenstisch ruhig wirkte, zog es mich noch einmal in den Norden. Mein Ziel: Đền thờ Thiên Quốc mẫu Hà Gia Luận, ein Tempel, von dem ich vorher nur wenig wusste, der aber überraschend viel zu erzählen hatte.

Der Weg zum Tempel in Natur und Stille

Schon die Anreise war ein Erlebnis für sich. Von der Hauptstraße schlängelte sich ein schmaler Weg durch üppiges Grün, vorbei an kleinen Wasserläufen und vereinzelten Häusern. Nach knapp 30 Minuten Fahrt tauchte plötzlich ein langer Holzsteg auf, der sich wie eine Brücke der Ruhe durch die Landschaft zog. Dieser Steg, etwa 250 Meter lang, führte mich direkt zum Tempel und war schon für sich genommen ein kleines Highlight. Zu beiden Seiten spiegelte sich das Licht auf dem klaren Wasser, Vögel zwitscherten in den Bäumen, und ich hatte das Gefühl, mit jedem Schritt ein bisschen mehr Abstand zum Alltag zu gewinnen.

Đền thờ Thiên Quốc mẫu Hà Gia Luận, ein Ort voller Geschichten

Der Tempel selbst liegt eingebettet in eine friedliche, fast schon meditative Umgebung. Hier wird die „Mẫu“, die Muttergöttin, verehrt, eine Schutzpatronin der Fischer und Familien. Die Geschichte des Ortes ist eng verbunden mit einer alten Legende. Neun Schwestern, die sich in Drachen verwandelten, wurden einst bei einem Sturm auf See von der Göttin gerettet. Aus Dankbarkeit errichteten die Menschen diesen Tempel, um für Schutz und Segen zu bitten, bevor sie sich wieder aufs Meer wagten.

Im Inneren des Tempels fallen sofort die kunstvoll geschnitzten Holzfiguren und steinernen Reliefs ins Auge. Alles wirkt sehr traditionell, aber auch einladend. Die Atmosphäre ist ruhig, fast andächtig. Ich war allein dort, nur begleitet vom leisen Rauschen der Bäume und dem fernen Ruf eines Vogels. In solchen Momenten spürt man, wie tief Spiritualität und Natur hier miteinander verwoben sind.

Architektur und Atmosphäre, zwischen Tradition und Natur

Was den Tempel besonders macht, ist nicht nur die Geschichte, sondern auch die Verbindung zur Landschaft. Der lange Holzsteg, der wie ein Band die Natur mit dem heiligen Ort verbindet, ist ein echter Blickfang. Er lädt dazu ein, langsam zu gehen, innezuhalten und die Umgebung auf sich wirken zu lassen. Die Luft war klar, der Blick weit und ich konnte mir gut vorstellen, wie hier während der großen Feste im Frühling das Leben pulsiert. Doch jetzt, in der Pandemie, war alles still. Keine Pilger, keine Rituale, nur ich und der Tempel.

Ein stiller Abschied mit Gedanken am Ende des Ausflugs

Đền thờ Thiên Quốc mẫu Hà Gia Luận ist kein spektakulärer Tempel im klassischen Sinne, aber gerade diese Schlichtheit macht seinen Zauber aus. Es ist ein Ort, an dem man zur Ruhe kommen, nachdenken und den Tage auf Cat Ba noch einmal Revue passieren lassen kann. Für mich war es der perfekte Abschluss, ein Spaziergang auf dem Holzsteg, ein Moment der Stille im Tempel und das Gefühl, dass auch in unsicheren Zeiten Orte wie dieser Hoffnung und Zuversicht schenken können. So verließ ich Cat Ba dem festen Vorsatz, irgendwann zurückzukehren, vielleicht dann, wenn die Insel wieder voller Leben ist, aber die Magie der stillen Orte geblieben ist.

Ein paar letzte Bildeindrücke von Cat Ba

Manchmal sind es gerade die Fotos, die es nicht ins große Album schaffen, die am meisten erzählen. Sie sind wie kleine Notizen am Rand eines Reisetagebuchs, zufällige Schnappschüsse, die Stimmungen einfangen, die zwischen den bekannten Sehenswürdigkeiten liegen. Zum Abschluss meines Besuchs auf Cat Ba möchte ich genau solche Eindrücke teilen.

Zwischen Felsen, Meer und Dschungel

Ich erinnere mich an einen Morgen, an dem ich einfach ziellos durch die kleinen Gassen von Cat Ba Town geschlendert bin. Die Stadt selbst ist vielleicht kein architektonisches Highlight, aber sobald man sich ein wenig von den grellen Schildern und dem Trubel entfernt, offenbart sich die wahre Schönheit der Insel. Hinter den Häusern steigen grüne Hügel auf, und manchmal blitzt das Meer zwischen den Dächern hervor.

Diese kleinen, unscheinbaren Bilder sind für mich mehr als nur Lückenfüller. Sie zeigen Cat Ba, wie ich es erlebt habe: ruhig, manchmal geheimnisvoll, immer ein bisschen abseits der ausgetretenen Pfade. Gerade in einer Zeit, in der alles etwas stiller ist, wirken solche Momente umso intensiver. Und vielleicht sind es ja genau diese Eindrücke, die am längsten bleiben.

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