Ein Tag in der Halong Bay
Ein fast menschenleerer Mythos, mein Tag auf der Halong-Bucht während Corona
Manchmal fühlt sich eine Reise an, als würde man die Kulisse eines weltberühmten Films betreten, nur dass die Statisten fehlen und man plötzlich selbst die Hauptrolle spielt. Genau so ging es mir, als ich während der Pandemie nach Halong kam. Die berühmte Bucht, sonst ein Magnet für Touristen aus aller Welt, lag still und fast verlassen vor mir. Die Suche nach einer passenden Tour glich einer Schatzsuche, viele Anbieter hatten schlichtweg geschlossen, denn die Nachfrage war auf ein Minimum gesunken. Vietnam hatte seine Grenzen dicht gemacht, internationale Gäste blieben aus, und auch die einheimischen Reisenden waren selten geworden.
Die Suche nach einer Tour mit Geduld und Glück
Ich erinnere mich noch gut an meine endlosen Streifzüge durch kleine Reisebüros und das Durchforsten von Webseiten, in der Hoffnung, irgendwo noch einen Anbieter zu finden, der nicht aufgegeben hatte. Viele Boote lagen fest vertäut im Hafen, die Crewmitglieder saßen auf den Decks und blickten aufs Wasser, als würden sie auf bessere Zeiten warten. Die wenigen offenen Agenturen waren fast schon überrascht, überhaupt einen Gast zu sehen. Nach einigem Hin und Her fand ich schließlich einen Anbieter, der eine kleine Tagestour auf einem traditionellen Holzboot organisierte. Wir waren insgesamt nur zehn Leute an Bord, fast schon eine private Fahrt, wie sie nach Corona immer beliebter geworden ist, weil viele Reisende kleinere Gruppen und mehr Abstand bevorzugen.
Die Fahrt durch die stille Bucht
Als das Boot langsam aus dem Hafen glitt, hatte ich das Gefühl, die Halong-Bucht ganz für mich allein zu haben. Die berühmten Kalksteininseln ragten wie uralte Drachenrücken aus dem Wasser, umhüllt von leichtem Nebel, der sich langsam in der Morgensonne auflöste. Kein Stimmengewirr, kein Gedränge auf dem Deck, nur das leise Plätschern der Wellen und das gelegentliche Kreischen eines Vogels. Die Stille war fast magisch.
Unser Kapitän steuerte das Boot vorbei an den bekanntesten Felsen, Dinh Duong, Ga Choi, die berühmten „Fighting Cocks“ und zu den Höhlen, die sonst von Besuchern überlaufen sind. Dieses Mal waren wir die einzigen, die durch die riesigen Tropfsteine der Sung Sot Höhle wanderten oder am Strand von Titop Island ins Wasser sprangen. Es fühlte sich an, als würde die Bucht nur für uns ihre Schönheit entfalten.




































Halt im schwimmenden Fischerdorf und die Einblicke in ein anderes Leben
Ein besonderes Highlight war unser Zwischenstopp an einem der schwimmenden Fischerdörfer. Schon von weitem sah ich die bunten Holzhäuser, die auf Fässern und Pontons über dem Wasser schwebten. Das Dorf wirkte wie eine kleine, eigene Welt, in der der Rhythmus des Lebens ganz anders tickt. Die Fischerfamilien leben hier seit Generationen, und auch wenn während der Pandemie alles noch ruhiger war als sonst, konnte ich spüren, wie eng ihr Alltag mit dem Meer verbunden ist.
Wir legten an einem der Stege an, und ich hatte die Gelegenheit, einen kurzen Spaziergang über die schwankenden Planken zu machen. Die Netze hingen zum Trocknen aus, ein paar Kinder winkten mir neugierig zu, und ein alter Mann flickte in aller Ruhe sein Fischernetz. Viel mehr Kontakt gab es nicht, aber allein der Anblick dieses Lebens zwischen Wasser und Himmel war eindrucksvoll. Die Stille hier hatte noch einmal eine ganz andere Qualität, sie war nicht nur pandemiebedingt, sondern schien irgendwie zum Wesen des Ortes zu gehören.




























Inselstopp mit tierischer Überraschung, die Affeninsel
Nach dem Fischerdorf steuerten wir eine der vielen kleinen Inseln in der Bucht an. Ich hatte schon gehört, dass auf manchen Inseln Affen leben, aber so richtig daran geglaubt habe ich erst, als ich sie tatsächlich sah. Kaum hatten wir das Boot verlassen und einen kleinen Pfad durch das grüne Dickicht betreten, raschelte es in den Bäumen über uns. Plötzlich tauchten sie auf, eine kleine Gruppe neugieriger Affen, die uns aus sicherer Entfernung beobachteten.
Sie sprangen von Ast zu Ast, schauten herunter, als würden sie sich fragen, was wir hier eigentlich wollen. Einer der frecheren kletterte sogar bis ganz nach unten und inspizierte uns mit schief gelegtem Kopf. Ich musste schmunzeln, wie sie sich gegenseitig neckten und immer mal wieder einen Abstecher zum Strand machten, um nach Essbarem zu suchen. Die Szene hatte etwas Verspieltes, aber auch etwas sehr Ursprüngliches. Es war ein bisschen wie ein geheimes Treffen zwischen zwei Welten, wir Besucher auf der Durchreise, sie die eigentlichen Bewohner der Insel.




























Mit dem Kajak durch die Höhlen von Luon Cave
Als krönenden Abschluss des Tages gab es noch einen Stopp, auf den ich mich besonders gefreut hatte, eine Kajaktour durch die Höhlen von Luon Cave. Schon der Anblick der engen Felsspalte, durch die nur kleine Boote oder Kajaks passen, ließ mein Herz höherschlagen. Ich schwang mich in ein Kajak, das Wasser war spiegelglatt und türkisfarben, und langsam paddelte ich Richtung Höhleneingang. Die Decke war so niedrig, dass größere Boote hier keine Chance hätten, genau das machte den Moment so besonders.
Drinnen wurde es still, nur das leise Tropfen von Wasser und das Plätschern meines Paddels waren zu hören. Die Kalksteinwände ragten steil in die Höhe, mit Orchideen und Farnen bewachsen. Hin und wieder huschte ein Affe über die Felsen, neugierig, was die Menschen da unten trieben. Nach der dunklen Höhle öffnete sich plötzlich eine kleine Lagune, umgeben von steilen Klippen, ein magischer Ort, der nur per Kajak erreichbar ist. Ich ließ mich treiben, genoss die Ruhe und das Gefühl, einen verborgenen Winkel der Welt entdeckt zu haben




















Kleine Gruppe, großes Erlebnis
Was normalerweise eine Massenveranstaltung mit Hunderten von Menschen ist, war jetzt ein fast intimes Erlebnis. Die Crew hatte Zeit für persönliche Gespräche, das Essen an Bord war frisch zubereitet, und auf dem Sonnendeck konnte ich mich ausbreiten, als wäre es mein eigenes Wohnzimmer. Die wenigen Mitreisenden, allesamt Einzelgänger oder kleine Gruppen, genossen die Ruhe genauso wie ich. Wir tauschten Geschichten aus, aber oft saßen wir einfach schweigend da und ließen die Landschaft auf uns wirken.
Fazit: Ein Tag, wie ihn sonst kaum jemand erlebt
Die Pandemie hat vieles verändert, auch das Reisen. In Halong bedeutete das, weniger Boote, weniger Menschen, aber dafür ein Erlebnis, das persönlicher und intensiver kaum sein könnte. Ich habe die Bucht nicht nur gesehen, sondern gespürt, ihre Stille, ihre Größe, ihre geheimnisvolle Aura. Und vielleicht war es gerade diese besondere Zeit, die mir gezeigt hat, wie viel Magie in der Einsamkeit liegen kann. So wurde aus einer schwierigen Suche nach einer Tour ein Tag, den ich nie vergessen werde.
