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Vietnam

Der zweite Tag um Cao Bang

Ein trüber Morgen, der Lust auf Abenteuer macht

Manchmal sind es die trüben Tage, die am meisten in Erinnerung bleiben. Mein zweiter Tag in Cao Bang begann mit einem langen Frühstück, draußen hing der Himmel schwer und grau über den Bergen. Aber ganz ehrlich, die Landschaft im Norden Vietnams hat eine Art, selbst das tristeste Wetter in etwas Magisches zu verwandeln. Die Berge ringsum, in Nebel gehüllt, wirkten fast wie gemalt. Es lag eine eigenartige Ruhe in der Luft, die während der Pandemie ohnehin allgegenwärtig war, aber hier draußen, fernab der Städte, hatte sie noch mal eine ganz andere Qualität.

Alte Gießerei: Lost Place mit Geschichte

Mein erster Halt war der Lost Place, den ich am Vortag noch im letzten Licht entdeckt hatte. Jetzt, am Morgen, konnte ich das Gelände endlich richtig erkunden. Die alten Mauern und der riesige Hochofen ließen mich vermuten, dass es sich um eine ehemalige Gießerei handelte. Überall lagen Formen herum, als hätte man einfach eines Tages alles stehen und liegen lassen. Hinter einigen verschlossenen Türen blitzten Ersatzteile hervor, offenbar wird das Gelände noch als Lager genutzt. Es war spannend, sich auszumalen, wie es hier wohl früher zugegangen ist, als noch Leben und Lärm die Hallen erfüllten.

Kurvenrausch auf dem Ma Phuc Pass

Weiter ging es über den Ma Phuc Pass. Die Straße schraubte sich in endlosen Kurven in die Höhe, immer weiter hinein in die Berge. Die Aussicht wurde mit jedem Meter spektakulärer. Die Hänge waren dicht bewachsen, ab und zu tauchten kleine Dörfer auf, in denen das Leben scheinbar stillstand. Es war eine dieser Strecken, auf denen man am liebsten an jeder Kurve anhalten würde, nur um die Aussicht noch ein paar Minuten länger zu genießen.

Love Lake und Angel Eye Mountain – Naturwunder und kleine Abenteuer

Nach dem Pass führte mich eine kleine Straße, gesäumt von niedrigen Steinmauern, zum Love Lake und dem berühmten Angel Eye Mountain. Das Engelsauge ist eine riesige, runde Höhle, die wie ein Fenster in der Felswand prangt. Der See selbst war zu dieser Jahreszeit eher ein grünes Weideland, nur ein kleiner Wasserfall speiste den Fluss, der sich fast im Gras verlor. Überall grasten Wasserbüffel und sorgten für das typische vietnamesische Landschaftsbild.

Mit meiner Drohne wollte ich eigentlich durch das Engelsauge fliegen, aber das Piepsen des Radars und der Gedanke an einen möglichen Absturz hielten mich dann doch zurück. Während ich noch überlegte, gesellte sich ein Vietnamese zu mir. Erst fragte er mich mit Händen und Füßen nach Zigaretten, dann nahm er dankbar meine Gingerbonbons entgegen. Plötzlich winkte er wild und bedeutete mir, ihm zu folgen. Ich zögerte kurz, aber die Neugier siegte.

Schlamm, Höhle und das Geräusch der Abenteuerlust

Der Weg führte uns erst zum Wasserfall, dann querfeldein an den Büffeln vorbei zu einer Höhle. Dort verschwand der Fluss im Dunkel. Mein Begleiter bestand darauf, dass ich Schuhe und Socken auszog, zum Glück, denn der Boden war glitschig und matschig. Einmal versank ich bis zu den Waden im Schlamm, musste höllisch aufpassen, nicht samt Kamera zu stürzen. Mit den Handylichtern tasteten wir uns etwa 150 Meter in die Höhle vor, weiter wagten wir uns nicht. Trotzdem, das war ein echtes kleines Abenteuer, und das schmatzende Geräusch meiner Füße im Schlamm werde ich so schnell nicht vergessen.

Trekkingpläne, die im Schlamm versinken

Nach der Höhle wollte mein neuer Freund noch mit mir auf den Berg steigen. Anfangs sah der Weg harmlos aus, doch bald wurde klar, dass es ein echter Kraftakt werden würde. Mit Händen und Füßen versuchte ich ihm klarzumachen, dass ich weder die richtigen Schuhe noch genug Zeit für den zweistündigen Aufstieg hatte. Er akzeptierte es schließlich, und so machten wir uns zurück zu den Mopeds. Noch einmal ging es durch das grüne Weideland des Love Lake, das in der feuchten Jahreszeit mehr Wiese als See ist.

Verlassene Träume am See

Mein letzter Stopp sollte ein weiterer See sein, der auf der Karte als Highlight markiert war. Stattdessen fand ich ein verlassenes Erholungsresort. Die Gebäude wirkten, als hätte man sie erst gestern verlassen, doch der Schein trog. Die Zimmer waren leer, in den verschlossenen Räumen wimmelte es vor Ameisen und Fliegen. Das Schwimmbad war zerfallen, die Boote rosteten vor sich hin. Nur ein paar Bauern und Fischer nutzten das Gelände, aber als ich näherkam, wurde ich mit dem Wort „COVID“ verjagt. Die Angst vor dem Virus war hier spürbar. Schade, denn die Natur ringsum war wunderschön und hätte eigentlich viele Besucher verdient.

Zurück in die Dämmerung

Als die Dämmerung einsetzte, machte ich mich auf den Rückweg. In dieser kurvigen Berglandschaft wollte ich wirklich nicht in die Nacht geraten. Der Tag war voller kleiner Abenteuer, Begegnungen und Überraschungen, und auch wenn das Wetter nicht perfekt war, hatte ich das Gefühl, dass genau das die Magie dieses Tages ausgemacht hat.

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