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Vietnam

Von Mai Chau nach Tam Dao

Von Mai Chau nach Tam Dao, ein Tag voller Abenteuer und Schlamm

Der Tag begann mit einer gewissen Aufregung im Bauch. 200 Kilometer lagen vor mir, von den ruhigen, grünen Reisfeldern von Mai Chau bis hinauf in die kühlen Berge von Tam Dao. Die Corona-Pandemie hatte das Land stiller gemacht, die Straßen waren leerer, die Landschaft wirkte fast wie in Zeitlupe. Ich war allein unterwegs, aber genau das machte die Reise intensiver, jeder Moment gehörte nur mir.

Abschied von Mai Chau und der erste Aussichtspunkt

Kaum hatte ich die letzten Pfade durch die Reisfelder von Mai Chau hinter mir gelassen, führte mich mein Weg zum Cho Coc Thung Khe Aussichtspunkt. Schon die Auffahrt war ein Erlebnis. Die Straße schlängelte sich durch sattgrüne Täler, vorbei an kleinen Dörfern, in denen das Leben scheinbar stillstand. Oben angekommen, bot sich mir ein Panorama, das ich so schnell nicht vergessen werde. Von hier aus konnte ich das gesamte Mai Chau Tal überblicken. Die Felder leuchteten in verschiedenen Grüntönen, eingerahmt von sanften Hügeln und den ersten Nebelschwaden des Morgens. Der Wind war frisch, die Luft klar, ich fühlte mich wie auf dem Dach der Welt.

Der Bong Lai Tempel, ein Ort zwischen Legende, Spiritualität und Natur

Bevor ich mich in die geheimnisvollen Höhlen hinter dem Bong Lai Tempel wagte, ließ ich den Tempel selbst auf mich wirken. Schon die Ankunft war ein Erlebnis. Der Tempel liegt eingebettet in die majestätischen Berge von Hoa Binh, umgeben von dichtem Grün und einer fast meditativen Stille. Hier spürt man sofort, dass der Ort nicht nur ein Bauwerk ist, sondern ein wichtiger Teil der Seele und Geschichte der Region.

Geschichte und Legende

Der Bong Lai Tempel, auch als Thuong Bong Lai Tempel bekannt, wurde 1890 während der Regierungszeit von König Thanh Thai erbaut. Seine Geschichte ist eng mit der Legende von Co Doi Thuong Ngan verbunden, einer Frau, die für ihre Schönheit und Freundlichkeit verehrt wird. Sie stammt ursprünglich aus Nho Quan, Ninh Binh, und wurde nach ihrem Umzug nach Cao Phong zur Symbolfigur für Mitgefühl und Schutz. Die Menschen der Region errichteten den Tempel, um sie zu ehren und ihre Geschichte lebendig zu halten. Bis heute ranken sich viele Legenden um sie, die Besucher neugierig machen und dem Ort eine besondere Aura verleihen.

Architektur und Atmosphäre

Der Tempel wurde 2013 aufwendig renoviert und erstreckt sich nun auf über 5.000 Quadratmetern am Fuße des Drachenkopfes (Dau Rong Mountain). Schon das Durchschreiten des dreiflügeligen Tores fühlt sich wie ein Schritt in eine andere Welt an. Der große Innenhof ist von alten Bäumen gesäumt, die Schatten spenden und das Licht sanft filtern. Die Gebäude selbst sind reich verziert, mit filigranen Schnitzereien und traditionellen Dächern, die sich harmonisch in die Landschaft einfügen. Überall finden sich kleine Schreine, Räucherstäbchen und Opfergaben, Zeichen dafür, wie sehr der Tempel noch heute im Alltag der Menschen verankert ist.

Spirituelle Bedeutung und Feste

Der Bong Lai Tempel ist nicht nur ein Ort der Stille, sondern auch ein Zentrum für zahlreiche spirituelle Feste. Besonders lebendig wird es hier zum Khai Xuan (Frühlingsfest), zur Co Doi Do Den Party und zu weiteren Festen, die das ganze Jahr über stattfinden. Dann strömen Gläubige und Besucher aus der ganzen Region zusammen, um gemeinsam zu feiern, zu beten und die besondere Atmosphäre zu genießen. Diese Feste verbinden die Menschen mit ihren Wurzeln und lassen die alten Legenden weiterleben.

Ein Ort zum Innehalten

Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Ruhe, die der Tempel ausstrahlt. Es ist ein Ort, an dem man einfach stehen bleiben und durchatmen möchte. Die Geräusche der Natur, das leise Murmeln von Gebeten und das Zwitschern der Vögel verschmelzen zu einer friedlichen Kulisse. Für mich war der Bong Lai Tempel nicht nur das Tor zu den Höhlen, sondern auch ein Ort, an dem ich kurz innehalten und die besondere Stimmung aufsaugen konnte, bevor mein Abenteuer in den Höhlen begann.

Endless Cave (Dong Khong Day)

Die Endless Cave macht ihrem Namen alle Ehre. Der Eingang ist unscheinbar, fast als wolle die Höhle ihre Geheimnisse nicht preisgeben. Doch kaum war ich drin, öffnete sich ein langer, gewundener Gang, der immer weiter in den Fels hineinführt. Die Luft war kühl, und an den Wänden glitzerten feine Tropfen. Hier und da ragten Stalaktiten von der Decke, als hätte jemand riesige Kerzenwachs-Tropfen eingefroren. Je tiefer ich ging, desto mehr verlor ich das Gefühl für Zeit und Richtung, es war wirklich, als würde die Höhle kein Ende nehmen.

Động Hoa Sơn

Die Hoa Son Höhle überraschte mich mit ihrer Weite. Schon am Eingang fiel Licht durch einen schmalen Spalt und tauchte die ersten Meter in ein fast magisches Leuchten. Weiter drinnen wurde es dunkler, aber meine Stirnlampe ließ die mineralischen Farben an den Wänden aufleuchten, von blassem Grau über Ocker bis zu einem satten Braun. Die Höhle ist bekannt für ihre beeindruckenden Tropfsteinformationen, die wie versteinerte Wasserfälle wirken. Ich blieb immer wieder stehen, um die Formen zu bestaunen, mal erinnerte mich ein Felsen an einen Drachenkopf, mal an eine schlafende Schildkröte.

Mau Ni Phat Cave

Die Mau Ni Phat Cave ist kleiner, fast schon intim. Sie liegt ein wenig versteckt, abseits der Hauptpfade. Hier herrschte eine besondere Stille, nur das leise Tropfen von Wasser war zu hören. Die Luft war feucht und roch nach Erde. In einer kleinen Nische entdeckte ich eine Buddha-Statue, umgeben von Opfergaben. Es fühlte sich an, als wäre dieser Ort ein Geheimtipp für jene, die Ruhe suchen, ein Platz zum Innehalten und Durchatmen.

Phong Son Dong Cave

Die Phong Son Dong Cave ist eine der spektakulärsten der Gegend. Ihr Eingang liegt etwas höher am Hang, und schon der Aufstieg war ein kleines Abenteuer. Drinnen erwartet einen eine riesige Halle, deren Decke sich weit über mir wölbte. Die Akustik war beeindruckend, jedes Geräusch hallte vielfach wider. In den hinteren Bereichen der Höhle entdeckte ich bizarre Felsformationen, die wie versteinerte Wellen aussahen. An manchen Stellen hatte sich Wasser gesammelt, kleine unterirdische Seen, in denen sich das Licht meiner Lampe spiegelte.

Tong Thien Thay Cave

Die Tong Thien Thay Cave ist bekannt für ihre fast mystische Atmosphäre. Der Eingang ist von dichter Vegetation umgeben, als würde die Natur die Höhle beschützen wollen. Drinnen empfing mich eine kühle Brise. Die Höhle ist weniger weitläufig als die Phong Son Dong, aber dafür umso verwinkelter. Immer wieder öffneten sich kleine Kammern, in denen das Licht auf glitzernde Kristalle traf. Es fühlte sich an, als würde ich durch einen natürlichen Palast wandern, in dem jeder Raum eine neue Überraschung bereithält.

Jede dieser Höhlen hatte ihren eigenen Charakter und ihre eigene Geschichte. Mal war es die schiere Größe, mal die Stille, mal die Farben oder das Spiel des Lichts. Gemeinsam ist ihnen, dass sie einen Teil der Magie dieser Region ausmachen. Ich war fasziniert davon, wie eng hier Natur und Spiritualität miteinander verwoben sind, als würde jeder Felsen, jede Tropfsteinformation von den alten Legenden erzählen, die rund um den Bong Lai Tempel lebendig geblieben sind.

Begegnung im Nirgendwo und die Muddy Cave

Irgendwo zwischen zwei Dörfern, weitab von jeder touristischen Route, begegnete ich einem Einheimischen. Er sprach mich auf eine Zigarette an, aber als überzeugter Nichtraucher konnte ich ihm nur ein paar deutsche Bonbons anbieten. Die nahm er mit einem breiten Grinsen entgegen, und wir kamen ins Gespräch, so gut es eben ging, mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Englisch. Nach dem kurzen Plausch bot er mir an, mir eine ganz besondere Höhle zu zeigen, die Muddy Cave.

Der Name war Programm. Schon der Eingang war unscheinbar, aber kaum war ich drin, verwandelte sich der Boden in ein einziges Schlammbad. Ein kleiner Fluss schlängelte sich durch die Höhle, und der Boden war so lehmig, dass ich teilweise bis zu den Waden einsank. Jeder Schritt war ein kleines Abenteuer, und nach kurzer Zeit war ich von Kopf bis Fuß mit einer dicken Schicht Schlamm bedeckt. Es war rutschig, chaotisch und irgendwie befreiend, ein bisschen wie Kindheit, nur eben in einer vietnamesischen Höhle. Das Licht meiner Stirnlampe spiegelte sich im feuchten Lehm, und das Echo meiner Schritte vermischte sich mit dem Plätschern des Wassers. Für einen Moment war ich ganz allein mit der Natur, mitten im Herzen Vietnams.

Ankunft in Tam Dao. Nebel, Berge und Erschöpfung

Nach diesem ungewöhnlichen Höhlenabenteuer setzte ich meine Fahrt fort. Die Landschaft veränderte sich langsam. Die Täler wurden enger, die Luft kühler, und die Straße schraubte sich in immer engeren Kurven die Berge hinauf. Tam Dao empfing mich mit seinem typischen Nebel, der über den Wäldern hing und die ganze Stadt in ein geheimnisvolles Licht tauchte. Die letzten Kilometer waren anstrengend, aber als ich am Abend endlich ankam, war ich erschöpft und gleichzeitig glücklich. Die frische Bergluft, das Gefühl, einen Tag voller Abenteuer hinter mir zu haben, und die Aussicht auf einen ruhigen Abend machten diesen Tag zu einem der besonderen Sorte.

So endete meine Etappe von Mai Chau nach Tam Dao, voller Natur, ein bisschen Schlamm, viel Stille und einer Begegnung, die mir wieder einmal zeigte, wie offen und freundlich die Menschen hier sind. Ich bin gespannt, was Vietnam morgen für mich bereithält.

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