Zurück in Hanoi
Zwischen Werkstatt, Tempeln und stillen Momenten
Manchmal fühlt sich das Ankommen in einer Stadt wie ein tiefes Ausatmen an. Nach den vielen Tagen auf dem Motorrad, mit Wind im Gesicht und Staub auf der Haut, war das Le Grand Hotel Hanoi mein Ruhepol. Endlich ausschlafen, endlich mal wieder in einem richtigen Bett liegen. Doch heute hieß es: Pflicht vor Vergnügen.








Das Motorrad musste zur Inspektion, Ölwechsel war angesagt. Bei diesen Maschinen ist das nach 300 bis 500 Kilometern wirklich Pflicht, sonst droht der Motor schlappzumachen. Also ab zur Werkstatt und plötzlich hatte ich Zeit. Zeit, um Hanoi mal aus einer anderen Perspektive zu erleben.












Spaziergang durch Bac Cau – Zwischen Alltag und Überraschungen
Während mein Motorrad in der Werkstatt verschwand, zog ich los in den Stadtteil Bac Cau. Bac Cau liegt nördlich der berühmten Long Bien Brücke, direkt am Ufer des Roten Flusses. Früher war das hier ein kleines Dorf mit drei Siedlungen, heute ist es ein lebendiger Teil der Stadt, aber immer noch mit dem Charme eines alten Viertels. Die Straßen sind schmal, das Leben spielt sich draußen ab, und trotz Pandemie wirkt alles erstaunlich ruhig.
Direkt gegenüber der Werkstatt stieß ich auf einen kleinen Schlachthof im Phung Warehouse. Das war schon ein ungewohnter Anblick: Hühner und Gänse, kopfüber in Verschläge gesteckt, warteten darauf, geschlachtet zu werden. Der Geruch, das Gackern, das geschäftige Treiben – das alles wirkte auf mich gleichzeitig fremd und faszinierend. In Vietnam ist der Umgang mit Tieren oft sehr direkt, nichts bleibt im Verborgenen.






Tempel, Lost Places und verschlossene Türen
Beim weiteren Schlendern durch Bac Cau entdeckte ich zwei kleine Tempelanlagen. Leider waren beide geschlossen, was in diesen Tagen fast schon normal ist. Die Pandemie hat das öffentliche Leben ausgebremst, viele Tempel bleiben zu, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Trotzdem strahlen die alten Mauern eine besondere Ruhe aus, als würde die Zeit hier langsamer vergehen.










Lost Places gibt es in Hanoi viele, auch in Bac Cau. Ich stand vor ein paar verlassenen Gebäuden, die von außen schon Geschichten erzählten. Rein kam ich leider nicht, wie so oft hier. Schade eigentlich, denn die morbide Schönheit solcher Orte hat ihren ganz eigenen Reiz und wäre ein tolles Fotomotiv gewesen.












Tempelglück und Bonsaiwunder
Als ich später mein Motorrad wieder abholte und mich auf den Heimweg machte, kam ich an einem weiteren Tempel vorbei. Dieses Mal war er nicht nur größer, sondern auch offen – eine echte Seltenheit während der Pandemie.












Der Grund dafür wurde mir schnell klar: Rund um den Haupttempel waren U-förmig mehrere private Tempel angeordnet, und im größten davon war der Besitzer gerade anwesend. Das Haupttor stand offen, und ich konnte eintreten.












Manchmal muss man einfach Glück haben. Sogar der eigentlich verschlossene Tempel mit seinen beeindruckenden Holzschnitzereien war zugänglich, weil gerade geputzt wurde. Das Innere war komplett aus Holz gefertigt, filigrane Schnitzereien wohin man blickte. Ich konnte mich kaum sattsehen, solche Handwerkskunst findet man nicht mehr oft.










Ein kleines Highlight am Rande: Überall standen liebevoll gepflegte Bonsaipflanzen. Sie gaben der Anlage etwas Verspieltes, fast schon Meditatives. Ich blieb eine Weile stehen, atmete die Ruhe ein und ließ die Eindrücke auf mich wirken.








Abendstimmung am Westsee – Tran Quoc Pagode
Am Abend zog es mich noch einmal raus, diesmal an den Westsee. Hier steht die Tran Quoc Pagode, die älteste buddhistische Tempelanlage Hanois. Sie thront auf einer kleinen Insel, verbunden mit dem Ufer durch einen schmalen Damm. Die Pagode ist über 1400 Jahre alt und wurde ursprünglich am Ufer des Roten Flusses erbaut, bevor sie 1615 hierher verlegt wurde, als der Flusslauf sich änderte.
Die Architektur ist eine Mischung aus vietnamesischen und indischen Einflüssen, mit einer eleganten Hauptpagode und mehreren Nebengebäuden. Besonders beeindruckend ist der 15-stöckige Turm und der Bodhi-Baum, ein Geschenk des indischen Präsidenten aus dem Jahr 1959. Die Atmosphäre am Abend ist magisch, das Licht spiegelt sich im Wasser, die Pagode leuchtet warm, und trotz der wenigen Menschen spürt man die spirituelle Bedeutung dieses Ortes.









Hanoi in der Pandemie – Zwischen Stille und Entdeckungen
Auch wenn die Stadt gerade leiser ist als sonst, gibt es in Hanoi immer etwas zu entdecken. Die Mischung aus Alltag, Geschichte und kleinen Glücksmomenten macht jeden Tag besonders. Und manchmal reicht schon ein Spaziergang durch Bac Cau oder ein unerwartet offener Tempel, um zu merken, wie lebendig und vielschichtig diese Stadt ist.
