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Philippinen

Historischer Spaziergang durch Cebu

Ein Tag voller Geschichte – Mein letzter Stopp in Cebu

Eigentlich wollte ich meinen letzten Tag entspannt auf Bohol verbringen, doch wie das Leben (und das philippinische Wetter) so spielt, kam ein Tropensturm dazwischen. Also hieß es: Rucksack packen, Fähre nehmen – und plötzlich stand ich einen Tag früher als geplant wieder in Cebu. Was tun, wenn man plötzlich Zeit übrig hat? Genau, man macht aus der Not eine Tugend und stürzt sich kopfüber in die Geschichte der Stadt. Mein spontaner „Kulturtrip“ wurde zu einem der faszinierendsten Abschnitte meiner Reise – und ich nehme dich mit auf meinen Streifzug durch das alte Cebu.

Von der Mall ins Museum – Mein Start in den Tag

Nachdem ich meine letzten Besorgungen in der neuen Robinsons Mall erledigt hatte (Shuttlebus sei Dank, kostenlos und zuverlässig!), packte mich die Neugier: Was gibt es hier eigentlich zu sehen? Google Maps spuckte ein Ziel aus, das mich sofort fesselte – ein altes Gefängnis, heute das Museo Sugbo. Keine zehn Minuten zu Fuß, und schon stand ich vor den dicken Mauern aus Korallenstein.

Museo Sugbo – Von Zellen und Revolutionären

Das Museo Sugbo war einst das „Carcel de Cebu“, das zentrale Gefängnis der Visayas. Die Architektur stammt aus dem Jahr 1869, entworfen vom einzigen Architekten der Stadt damals. Die Mauern bestehen zum Teil aus den Steinen der alten Parian-Kirche – Recycling auf historische Art. Über 135 Jahre lang wurden hier nicht nur Kriminelle, sondern auch Revolutionäre, Guerillas und sogar Pferde (kurzzeitig während der amerikanischen Kolonialzeit) „eingesperrt“. Während der japanischen Besatzung litten hier Widerstandskämpfer unter der Kempeitai, der gefürchteten Geheimpolizei. Erst 2004 wurde das Gefängnis endgültig geschlossen und zum Museum umgebaut.

Drinnen erwarteten mich zahlreiche Galerien: politische Geschichte, archäologische Funde, Goldschätze aus Schiffswracks, Porträts aller philippinischen Präsidenten – sogar mit goldenen Signaturen. Besonders spannend: der alte Brunnen im Innenhof, der schon zu Gefängniszeiten Wasser spendete und heute als „Well of Wisdom, Love and Good Fortune“ gilt. Mein Guide erzählte mit viel Herzblut von den dunklen und hellen Kapiteln der philippinischen Geschichte – und ich merkte, wie sehr die Filipinos ihre Vergangenheit wertschätzen, ohne sie zu verklären.

Casa Gorordo – Leben wie die Ilustrados

Nur ein paar Straßen weiter tauchte ich in eine ganz andere Welt ein: das Casa Gorordo, ein prachtvolles Herrenhaus aus den 1850ern. Hier lebte einst Juan Gorordo, der erste philippinische Bischof von Cebu. Das Haus ist ein Paradebeispiel für die „Bahay na Bato“-Architektur: massive Korallensteinmauern unten, filigranes Hartholz oben, Capiz-Muschelfenster, die das Licht weich streuen. Drinnen fühlte ich mich wie ein Zeitreisender – antike Möbel, religiöse Statuen, eine private Kapelle und sogar alte Ausgaben von Rizals Romanen.

Mein Guide führte mich durch die Räume, erzählte von den Festen der alten Parian-Gesellschaft, vom Wandel der Kolonialzeit zur Moderne. Besonders beeindruckt hat mich, wie hier Traditionen weitergelebt werden: Besucher dürfen an alten Bräuchen teilnehmen, etwa beim Kaffeeritual oder bei kleinen Handwerksvorführungen. Die Atmosphäre war herzlich, fast familiär – typisch für die offene, neugierige Mentalität der Filipinos.

Yap-Sandiego Ancestral House – Ein Hauch von China in Cebu

Nur ein paar Schritte entfernt stieß ich auf das Yap-Sandiego Ancestral House – angeblich das älteste chinesische Haus außerhalb Chinas, gebaut zwischen 1675 und 1700. Schon von außen wirkt es wie aus der Zeit gefallen: rote Ziegel, knarrende Holzbalken, dicke Korallensteinmauern. Drinnen empfingen mich religiöse Schnitzereien, antike Möbel und eine Sammlung von Heiligenfiguren mit Elfenbein-Händen – einige davon fehlen, weil sie im Laufe der Jahrhunderte gestohlen oder verkauft wurden.

Was mich besonders faszinierte: Die Familie San Diego lebt noch heute an Wochenenden im Haus und hat es liebevoll restauriert. Die Mischung aus chinesischer und spanischer Baukunst, der kleine Garten und das Café machten den Besuch zu einer kleinen Oase der Ruhe. Ich konnte fast die Stimmen der Händler und Familienmitglieder vergangener Jahrhunderte hören – Geschichte zum Anfassen.

Heritage of Cebu Monument – Geschichte als Kunstwerk

Direkt gegenüber erhebt sich das Heritage of Cebu Monument wie eine steinerne Chronik. Der Künstler Eduardo Castrillo hat hier aus Bronze, Stahl und Beton ein gigantisches Tableau geschaffen, das die wichtigsten Ereignisse Cebus erzählt: Die Christianisierung durch Magellan, die heldenhafte Gegenwehr von Lapu-Lapu in der Schlacht von Mactan, die Revolution gegen die Spanier, die prägenden Kirchenbauten und die großen Persönlichkeiten wie Sergio Osmeña Sr. und Pedro Calungsod.

Besonders beeindruckend ist, wie hier nicht nur die „großen“ Geschichten, sondern auch die kleinen Details sichtbar werden: eine spanische Galeone, das Magellan-Kreuz, die Sinulog-Festlichkeiten. Der Parian-Distrikt, in dem das Monument steht, war einst das Zentrum des Handels zwischen Chinesen, Spaniern und Einheimischen – ein Schmelztiegel, der bis heute die offene, bunte Mentalität der Cebuanos prägt.

Abschied mit Musik – Die letzten Stunden

Nach so viel Geschichte und Kultur setzte pünktlich der Regen ein – als hätte Cebu gewusst, dass mein Kopf jetzt voll genug ist. Zurück im Hotel, frisch gemacht, ausgecheckt und dann noch ein letztes Mal in die Semi Final Sports Bar. Bei Live-Musik und einem kühlen Getränk ließ ich die Eindrücke Revue passieren und spürte, wie sehr mich diese spontane Kulturreise bereichert hat.

Fazit – Cebu, du hast mich überrascht!

Was als Notlösung begann, wurde zu einem der intensivsten und lehrreichsten Tage meiner Reise. Die Begegnungen mit den Guides, die Offenheit der Menschen, die lebendige Geschichte hinter dicken Mauern und knarrenden Dielen – Cebu hat mir gezeigt, wie vielschichtig und faszinierend die Philippinen sind. Und vielleicht ist genau das das Schönste am Reisen: Die besten Geschichten schreibt immer noch der Zufall.

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