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Malaysia

Unterwegs in der City II

Tempel, Bonsai und ein Hauch von Geschichte

Manchmal sind es die spontanen Wege, die einen am meisten überraschen. Nach einem würzigen indischen Frühstück, das knusprige Roti und das dampfende Curry duften mir noch in der Nase, lasse ich mich einfach treiben, ohne Plan, nur mit Neugier im Gepäck. Mein erster Stopp: der Hok Teik Cheng Sin Tempel, auch bekannt als Poh Hock Seah, Hokkien Kongsi oder Tong Kheng Seah. Schon die Vielzahl der Namen verrät, wie viele Geschichten und Gemeinschaften sich hier treffen. Der Tempel, 1850 von chinesischen Clans aus Fujian erbaut, ist dem taoistischen Gott des Wohlstands gewidmet und strahlt mit seinen roten, goldenen und polierten schwarzen Säulen eine fast magische Ruhe aus. Im Vorgarten stehen kunstvoll geschnittene Bonsai, als hätten sie die Jahrhunderte einfach mit durchlebt. Ich beobachte einen älteren Herrn, der mit einer kleinen Schere liebevoll an den Ästen schnippelt. Wir kommen ins Gespräch, und er erzählt mir, dass die Bonsai wie kleine Universen seien, Geduld und Hingabe, das sei das Geheimnis, meint er mit einem verschmitzten Lächeln.

Zwischen Gräbern und Geschichten – Der alte protestantische Friedhof

Nur ein paar Straßen weiter tauche ich in eine ganz andere Welt ein: den Northam Road Cemetery. Der alte protestantische Friedhof liegt heute still und verwunschen da, ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben scheint. Gegründet 1786, ist er älter als viele berühmte Grabstätten weltweit. Die Grabsteine erzählen von tropischen Krankheiten, von britischen Kolonialbeamten, von Flüchtlingen der Taiping-Rebellion und von deutschen Kaufleuten, die hier ihr Glück suchten. Ich wandere zwischen den moosbedeckten Steinen, entdecke Namen wie den Bruder von Stamford Raffles und den Ehemann von Anna Leonowens, die Frau, die später zur Inspiration für „The King & I“ wurde. Ein großes Schild am Eingang gibt Orientierung, der Penang Heritage Trust sorgt heute dafür, dass dieses Stück Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Ein älterer Mann, der mit seiner Enkelin unterwegs ist, spricht mich an und erzählt, dass er als Kind oft hier gespielt hat, damals war der Friedhof noch verwildert und geheimnisvoll. Heute ist er ein Denkmal der Stadt und ein Ort, der zum Nachdenken einlädt.

Kaffeepause mit Meeresblick

Nach so viel Geschichte brauche ich eine kleine Pause. Direkt gegenüber des Friedhofs entdecke ich das Beach Blanket Babylon. Von der Terrasse aus schweift mein Blick über das Meer, während ich an meinem Kaffee nippe. Die salzige Brise mischt sich mit dem Duft von frisch gebackenem Kuchen. Ich lasse die Eindrücke sacken, beobachte das bunte Treiben auf der Straße und genieße für einen Moment das süße Nichtstun.

Das Blue Mansion – Ein Haus voller Geschichten

Gestärkt mache ich mich auf den Weg zum Blue Mansion. Ich war schon einmal hier, aber das Haus lässt mich nicht los. Nur mit einer Führung darf man hinein, also warte ich geduldig auf den nächsten Termin. Das Blue Mansion, gebaut von Cheong Fatt Tze, dem „Rockefeller des Ostens“, ist ein architektonisches Meisterwerk. Cheong war ein Selfmade-Millionär, der als armer Emigrant nach Südostasien kam und mit Geschick und Mut zum Clankönig aufstieg. Die Führung ist wie eine Zeitreise: kunstvoll gearbeitete Böden, eine Treppe mit genau abgezählten Stufen, ein Innenhof, in dem das Licht magisch spielt. Die Führerin erzählt mit so viel Leidenschaft, dass ich fast das Gefühl habe, Cheong Fatt Tze könnte jeden Moment um die Ecke biegen. Nach der Tour gönne ich mir den legendären Cocktail in der blauen Bar, ein perfekter Abschluss für diesen Abstecher in eine andere Welt.

Die skurrile 1921 Art Gallery

Wieder draußen, lasse ich mich weiter treiben und stoße auf die 1921 Art Gallery. Rund um ein altes Mausoleum hat der Besitzer allerlei Alltagsgegenstände arrangiert, scheinbar wahllos, aber doch voller Fantasie. Ich umrunde das Mausoleum zweimal und entdecke jedes Mal neue Details: alte Radios, Blechschilder, eine rostige Nähmaschine. Der Besitzer ist heute nicht da, aber seine Kreativität ist überall spürbar. Es fühlt sich ein bisschen an, als würde ich in einen Traum spazieren, in dem alles möglich ist.

Das Mausoleum – Relikt und Herzstück

Das Mausoleum selbst ist das Herzstück der Galerie. Die Überreste sind von Geschichten umgeben, die sich in den ausgestellten Objekten widerspiegeln. Hier verschmilzt Vergangenheit mit Gegenwart, Kunst mit Alltag. Ein Ort, der zum Verweilen und Staunen einlädt.

Abendstimmung auf der Lebuh Chulia

Als der Tag langsam in die Dämmerung übergeht, zieht es mich zur Lebuh Chulia Road. Hier pulsiert das Nachtleben, zumindest ein bisschen, Live-Musik tönt aus den Bars, Straßenkünstler zeigen ihr Können. Ich lasse mich treiben, lausche einer Band, die alte Rockklassiker spielt, und beobachte die bunte Mischung aus Einheimischen und Reisenden. Die Atmosphäre ist entspannt, ein bisschen verrückt und sehr lebendig.

Ein letzter Abstecher zur Old Firestation

Kurz vor dem Hotel mache ich noch einen Schlenker zur Old Firestation. Von außen wirkt sie wie ein kleines Museum, doch tatsächlich ist sie eine immer noch aktive Feuerwache. Die roten Tore, die alten Fahrzeuge und die wachsamen Feuerwehrleute erinnern daran, dass hier Tradition und Gegenwart Hand in Hand gehen. Ein junger Feuerwehrmann winkt mir zu und erzählt stolz, dass sie rund um die Uhr einsatzbereit sind.

Street Art – Die Seele von George Town

Was mich den ganzen Tag begleitet hat, ist die Street Art. Überall in der Stadt tauchen sie auf: bunte Wandgemälde, ironische Skulpturen, kleine Kunstwerke, die Geschichten erzählen. Besonders auf der Armenian Street entdecke ich immer wieder neue Motive, Kinder auf Fahrrädern, ein indischer Bootsmann, ein Junge auf einem Motorrad. Die Kunstwerke machen George Town zu einer riesigen Freiluftgalerie, in der jeder Spaziergang zur Schatzsuche wird. Ich merke, wie mich diese Mischung aus Geschichte, Kreativität und Lebensfreude immer wieder aufs Neue begeistert.

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