Imperial City und Umgebung
Ein Tag voller Geschichte, Natur und Begegnungen
Manchmal fühlt sich ein Tag auf dem Motorrad rund um Hue an, als würde man durch ein lebendiges Bilderbuch der vietnamesischen Geschichte fahren. Die Landschaft wechselt von sattgrünen Reisfeldern zu mystischen Kiefernwäldern, von geschäftigen Dörfern zu stillen, ehrwürdigen Grabanlagen. Und immer wieder gibt es diese Momente, in denen die Vergangenheit ganz nah rückt – sei es beim Blick auf eine verwitterte Statue oder im Gespräch mit einem älteren Herrn, der stolz von den alten Kaisern erzählt.
Das Stage of Flag – Symbol der Geschichte
Mitten im Herzen von Hue erhebt sich das Flaggendenkmal, der sogenannte Hue Flag Tower. Schon von Weitem sieht man den mächtigen Fahnenmast, der auf drei pyramidenförmigen Plattformen thront. Kanonen säumen die Terrassen, und das große Wasserbecken drumherum spiegelt nachts das Licht der Stadt – ein Bild, das fast schon surreal wirkt. Hier, wo einst die Fahne der Monarchie wehte, wurde am 23. August 1945 erstmals das Banner der Demokratischen Republik Vietnam gehisst. Der Ort ist nicht nur ein Denkmal, sondern ein stiller Zeuge der wechselvollen Geschichte Vietnams.


Das Meridian-Tor – Pforte zur Kaiserstadt
Das Meridian-Tor, oder Südtor, ist der prachtvolle Haupteingang zur Kaiserstadt. Schon beim Näherkommen beeindruckt die mächtige, festungsartige Basis, gekrönt von dem eleganten Five-Phoenix Pavilion. Ich stelle mir vor, wie hier einst der Kaiser stand, umgeben von seinem Hof, während draußen die Truppen Aufstellung nahmen. Die Architektur ist eine Hommage an die Verbotene Stadt in Peking, mit kunstvollen Dachziegeln und Tierfiguren, die das Böse fernhalten sollten. Heute schlendern Besucher aus aller Welt durch die fünf Eingänge – der mittlere einst nur dem Monarchen vorbehalten, die Seitenportale für Mandarine und Soldaten. Ein Ort, der Respekt einflößt und zum Staunen einlädt.










Der Hue Königspalast – Ein Hauch von Feudalzeit
Kaum durch das Meridian-Tor getreten, umfängt mich die Atmosphäre vergangener Jahrhunderte. Die alten Mauern, die weiten Höfe, der Duft von feuchtem Moos – alles erzählt von der glanzvollen Zeit der Nguyen-Dynastie. Der Thai Hoa Palast, einst Zentrum der Macht, blickt auf den Innenhof, wo Zeremonien und Feste stattfanden. Ich bleibe stehen, lasse die Stille auf mich wirken, und kann fast das Flüstern der Mandarine und das Klirren der Rüstungen hören. Trotz der Zerstörungen im Krieg ist viel von der einstigen Pracht erhalten oder liebevoll restauriert worden. Es ist leicht, sich hier in die Vergangenheit zu träumen.

















Der Palast der kaiserlichen Mutter
Ein wenig abseits, eingebettet in die weitläufige Palastanlage, liegt der Palast der kaiserlichen Mutter. Die Atmosphäre ist ruhiger, fast andächtig. Hier spürt man, wie wichtig Familie und Tradition im alten Vietnam waren. Die Räume sind schlicht, aber voller Würde. Ich treffe eine ältere Frau, die mir erklärt, dass die kaiserliche Mutter einst großen Einfluss auf die Politik hatte – und dass ihr Palast ein Ort der Weisheit und des Rückzugs war.

















Die königlichen Gärten – Grüne Oasen der Ruhe
Die königlichen Gärten von Hue sind ein wahres Paradies für Naturliebhaber. Schon vor 400 Jahren wurden sie von den Nguyen-Lords angelegt und später von den Kaisern weiterentwickelt. Ich schlendere durch den Ngu Vien Garten, bewundere uralte Bäume, duftende Blumen und kunstvoll angelegte Teiche. Ein Gärtner winkt mir zu und zeigt mir stolz eine seltene Orchidee. Die Gärten waren nicht nur Orte der Erholung, sondern auch Symbole für Harmonie zwischen Mensch und Natur. Heute spenden sie Schatten und Ruhe – und sind ein perfekter Ort, um die Seele baumeln zu lassen.












Ha Co Garten – Ein wiederentdecktes Meisterwerk
Der Ha Co Garten, einst Lernort für Prinzen, später königlicher Garten, lag lange im Dornröschenschlaf. Erst 2012 wurde er restauriert und wieder zugänglich gemacht. Ich spaziere durch die gepflegten Wege, vorbei an Lotosteichen und kunstvoll beschnittenen Büschen. Ein älterer Mann erzählt mir, dass hier früher Dichter und Gelehrte zusammenkamen, um zu philosophieren. Heute sitzen Kinder auf den Steinen und lassen Papierboote schwimmen – ein schöner Beweis, dass Geschichte und Gegenwart in Hue oft ganz nah beieinanderliegen.


















Dien Can Chan – Theater und Museum
Mitten in der Kaiserstadt stoße ich auf das Dien Can Chan, ein Theater und Museum. Die Bühne ist klein, aber die Atmosphäre dafür umso intensiver. Ich habe Glück und kann einer kurzen Aufführung traditioneller Musik lauschen. Die Instrumente klingen fremd und faszinierend, die Melodien erzählen von Liebe, Krieg und Sehnsucht. Im Museum nebenan gibt es Kostüme und Requisiten zu sehen – ein lebendiges Stück Kulturgeschichte.










Huế Museum der Königlichen Schönen Künste
Das Museum für königliche Kunst ist ein Schatzkästchen voller Geschichten. In den Vitrinen glänzen Schmuckstücke, Porzellan und Gemälde aus der Zeit der Nguyen-Kaiser. Besonders beeindruckend: die Ausstellung der königlichen Schätze, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hanoi gebracht wurden und erst 2016 wieder in Hue zu sehen waren. Ein junger Museumsführer erklärt mir, wie wichtig es ist, diese Kunstwerke zu bewahren – nicht nur für Vietnam, sondern für die ganze Welt.















Hue War Museum – Erinnerungen an dunkle Zeiten
Das Hue War Museum liegt unscheinbar nahe der Zitadelle, doch die ausgestellten Panzer, Flugzeuge und Hubschrauber erzählen von den Schrecken des Vietnamkriegs. Ich lese die englischen und vietnamesischen Beschriftungen und versuche mir vorzustellen, wie es hier 1968 während der Tet-Offensive war. Die Bilder an den Wänden zeigen zerstörte Gebäude, verzweifelte Menschen. Ein älterer Besucher bleibt neben mir stehen und sagt leise: „Wir dürfen nicht vergessen.“ Das Museum ist klein und etwas in die Jahre gekommen, aber die Botschaft bleibt: Frieden ist kostbar.












Der Standing Buddha auf dem Berg Tu Tuong
Nach so viel Geschichte tut ein Ausflug ins Grüne gut. Der Weg zum Standing Buddha auf dem Tu Tuong Berg führt durch einen duftenden Kiefernwald. 145 Stufen sind es bis zur riesigen Guan Yin Statue – 14 Meter hoch, 7 Meter breit, fast 25 Tonnen schwer. Oben angekommen, weht ein frischer Wind, und der Blick schweift weit über das Land. Neben mir beten Frauen in bunten Gewändern, zünden Räucherstäbchen an und lassen ihre Wünsche in den Himmel steigen. Ein Moment voller Frieden und Hoffnung.








Die Grabstätten rund um Hue – Stille Zeugen der Vergangenheit
Die Umgebung von Hue ist gespickt mit Grabmälern bedeutender Persönlichkeiten. Ich fahre mit dem Motorrad über kleine Landstraßen, vorbei an Reisfeldern und Wasserbüffeln, und entdecke immer wieder prächtige Mausoleen. Besonders beeindruckend sind die Gräber der Nguyen-Kaiser, wie das von Tu Duc, Minh Mang oder Khai Dinh. Sie liegen meist inmitten von Parks, umgeben von Teichen und uralten Bäumen. Die Grabstätten sind ähnlich aufgebaut: Ringmauern, Ehrenhöfe mit steinernen Wächterfiguren, Stelenpavillons mit Inschriften und Tempel zur Ahnenverehrung. In der Stille dieser Orte spürt man den Respekt vor der Geschichte und den Menschen, die sie prägten. Manchmal treffe ich auf Einheimische, die Räucherstäbchen anzünden oder einfach nur im Schatten sitzen und erzählen, wie stolz sie auf ihre Heimat sind.












Ein chinesischer Friedhof vor den Toren der Stadt
Ein Stück außerhalb von Hue entdecke ich den An Bang Cemetery auch CITY OF GHOSTS genannt. Die Gräber sind kunstvoll gestaltet, mit bunten Kacheln und steinernen Löwen. Hier liegen die Nachfahren der chinesischen Gemeinschaft, die seit Jahrhunderten in Hue lebt. Ein alter Mann fegt die Wege und lächelt, als ich ihn grüße. Er erzählt, dass viele Familien immer noch regelmäßig kommen, um zu beten und die Gräber zu pflegen. Es ist ein stiller, friedlicher Ort, an dem sich die Kulturen Vietnams und Chinas auf besondere Weise begegnen.












Abends in der Amüsiermeile – Brown Eyes Pub
Nach einem Tag voller Eindrücke zieht es mich zurück in die Stadt. Die Amüsiermeile von Hue ist quirlig, bunt und voller Leben. Heute Abend lande ich im Brown Eyes Pub. Die Musik ist laut, die Stimmung ausgelassen, und ich komme schnell mit anderen Reisenden ins Gespräch. Bei einem kühlen Bier lassen wir den Tag Revue passieren, tauschen Geschichten aus und lachen über die kleinen Pannen, die auf einer Motorradreise eben dazugehören. Hue, denke ich, ist eine Stadt, die Gegensätze vereint: Geschichte und Gegenwart, Stille und Trubel, Tradition und Aufbruch. Und genau das macht sie so besonders.












So endet ein Tag auf zwei Rädern rund um Hue – voller Abenteuer, Begegnungen und unvergesslicher Eindrücke. Wer einmal hier war, nimmt mehr mit als nur schöne Fotos: nämlich das Gefühl, Teil einer großen, lebendigen Geschichte gewesen zu sein.
