Von Hanoi nach Mai Chau
Von Hanoi nach Mai Chau – Allein durch die Wolken
Es war einer dieser Tage, an denen die Welt ein bisschen stiller ist als sonst. Die Straßen von Hanoi waren noch ungewohnt leer, als ich am Morgen loszog. Die Nachricht von den ersten Lockerungen lag wie ein frischer Wind in der Luft und ich spürte, wie die Stadt langsam wieder zu atmen begann. Aber ich wollte nicht warten, bis das Leben in Hanoi wieder voll erwacht, die Berge riefen und ich folgte diesem Ruf.
Aufbruch nach Westen
Mai Chau, mein Ziel für heute, liegt etwa 160 Kilometer westlich von Hanoi. Normalerweise ist das eine entspannte Fahrt, die Straßen sind inzwischen gut ausgebaut und die Landschaft wechselt langsam von städtischem Treiben zu sanften Hügeln und Reisfeldern. Heute allerdings hatte das Wetter andere Pläne. Schon beim Verlassen der Stadt hing der Himmel tief und grau, als hätte jemand einen riesigen Vorhang über Nordvietnam gezogen.
Unterwegs kam ich an einer kleinen, verlassenen Fabrik vorbei. Nichts Spektakuläres, aber in diesen Zeiten ist jeder verlassene Ort eine kleine Entdeckung. Ich konnte nicht widerstehen, einen kurzen Blick hineinzuwerfen. Es war still, nur das Echo meiner Schritte und der Geruch von feuchtem Beton. Ein Lost Place, wie sie im Reiseführer stehen, aber heute war ich der einzige Besucher.














Durch die Wolken ins Ungewisse
Die letzten 30 Kilometer nach Mai Chau haben es in sich. Hier beginnt das echte Abenteuer: Die Straße windet sich in engen Kurven die Berge hinauf, und heute war die Sicht so schlecht, dass ich manchmal kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Die Wolken hingen schwer auf der Straße, alles wirkte wie in Watte gepackt. Die Sichtweite war stellenweise unter 30 Meter – und das auf einer Strecke, auf der sich Lkw und Busse langsam die Serpentinen hochquälen.
Ich gebe zu, mein Herz schlug ein bisschen schneller als sonst. Jeder Gegenverkehr, jede Kurve wurde zur kleinen Mutprobe. Aber irgendwie hatte diese Fahrt auch ihren ganz eigenen Zauber. Die Geräusche waren gedämpft, die Welt draußen verschwamm zu einer grauen Wand, und ich war ganz bei mir. Als ich endlich in Mai Chau ankam, war ich froh, die nassen Klamotten loszuwerden und einfach mal durchzuatmen.












Ein Tal für mich allein
Mai Chau empfing mich mit einer fast unwirklichen Ruhe. Normalerweise ist das Tal ein beliebtes Ziel für Reisende, aber heute war ich der einzige Tourist weit und breit. Die Landschaft hier ist atemberaubend: grüne Reisfelder, eingerahmt von sanften Bergen, kleine Dörfer mit traditionellen Stelzenhäusern. Es fühlt sich an, als hätte ich einen ganzen Landstrich für mich allein gepachtet.
Für heute reicht es mir, die Fahrt hat mich mehr geschlaucht als gedacht. Ich lasse mich auf der Veranda meiner Unterkunft nieder, schaue in die dunstigen Berge und genieße die Stille. Manchmal ist es genau das, was man braucht: ein bisschen Abenteuer, ein bisschen Einsamkeit und das Gefühl, dass die Welt da draußen noch auf einen wartet.
